Vertragsverletzungsverfahren

Rx-Preisbindung: EU-Kommission zwingt Spahn zum Handeln

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Berlin -

Kurz vor Beginn der heißen Phase der Beratungen zum Apothekenpaket von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mischt sich die EU-Kommission nun die innerdeutsche Diskussion über den Rx-Versandhandel ein: Die Kommission hat die Bundesregierung aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ein Konzept zur Aufhebung der Preisbindung für ausländische Versender vorzulegen. Sonst droht der Bundesrepublik eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Wie der EuGH verweist die Kommission auf den freien Warenverkehr. Damit werden die Karten in der innerdeutschen Diskussion neu gemischt.

Die Kommission habe beschlossen, eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ – dass kommt einer Mahnung gleich – an Deutschland zu richten, in der es um Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel geht, die den Verkauf von Produkten durch in anderen EU-Mitgliedstaaten niedergelassene Apotheken beeinträchtigten. Das System der Festpreise nach deutschem Recht (Arzneimittelgesetz) verringere die Möglichkeiten der Apotheken, Rabatte anzubieten, und schränkte den Handel zwischen den EU-Ländern ein, heißt es in dem Mahnschreiben.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass solche nationalen Vorschriften gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen. Bereits im November 2013 habe die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, indem sie ein Aufforderungsschreiben an die deutschen Behörden gerichtet habe, erinnert die Kommission. In der Zwischenzeit habe ein Urteil des EuGH in der Rechtssache Deutsche Parkinson Vereinigung die Beurteilung der Kommission bestätigt. Daher fordert die Kommission jetzt Deutschland auf, die Rechtsvorschriften zu ändern, um sie an die EU-Vorschriften „ohne Verzögerung“ anzupassen. Da Deutschland keine Maßnahmen ergriffen habe, habe die Kommission beschlossen, eine mit „Gründen versehene Stellungnahme“ zu übermitteln. „Deutschland hat jetzt zwei Monate Zeit, um die Situation zu verbessern. Andernfalls kann die Kommission beschließen, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen“, so die Pressemitteilung.

Damit dürften sich die Chancen der ABDA verringert haben, ihre Forderung nach Gleichpreisigkeit durchzusetzen. In einer ersten Stellungnahme zeigte sich allerdings CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich gelassen: „Wir müssen uns das jetzt genau ansehen. Ich gehe weiter davon aus, dass wir das Ziel der Gleichpreisigkeit umsetzen können. Auf keinen Fall wird es mit uns gesetzlich legitimierte Rx-Boni für ausländische Versender geben“, so Hennrich. Man halte am Plan fest, die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) aus dem Arzneimittelrecht ins Sozialrecht zu übertragen, so Hennrich.

Andere Beobachter interpretieren die Reaktion aus Brüssel anders: Es sei kein Zufall, dass die Mahnung unmittelbar vor Beginn der entscheidenden Verhandlungen in der Regierungskoalition komme, heißt es. Das sei ein Warnschuss der Kommission. Das Bundesgesundheitsministerium geht bislang davon aus, dass das Apothekenpaket im Rahmen des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) in Brüssel nicht notifiziert werden muss. Das dürfte sich mit der Aufforderung der EU-Kommission erledigt haben. Da die Kommission auf der Aufhebung der Preisbindung für ausländische Versender pocht, dürfte zudem das ABDA-Ziel der Gleichpreisigkeit kaum noch zu erreichen sein.

Fraglich ist, wie es jetzt mit Spahns 375 Millionen Euro schweren Apothekenpaket weitergeht. Die ABDA hatte Spahns Vorschlag, ausländischen Versendern einen Bonus von 2,50 Euro pro Rx-Arzneimittel einzuräumen, kategorisch abgelehnt. Darin wird die ABDA von Teilen der Gesundheitspolitiker der Union unterstützt. Andere in der Union wollen am Rx-Versandverbot festhalten.

Möglicherweise kommt jetzt ein alter SPD-Plan wieder auf den Tisch. Die SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke und Sabine Dittmar hatte vorgeschlagen, den Rx-Boni auf eine Geringfügigkeitsgrenze von einen bis 1,50 Euro zu beschränken. Eine Bagatellgrenze von damals einem Euro hatte der Bundesgerichtshof in einen Verfahren als wettbewerbsrechtliche Spürbarkeitsgrenze durchgewinkt. Offenbar hat die EU-Kommission die Geduld mit der Bundesregierung verloren: Ein Jahr nach dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung ist immer noch nichts geschehen. Im GSAV-Gesetzentwurf ist das Apothekenpaket von Spahn noch nicht enthalten. Die ABDA hat Spahns Vorschlag abgelehnt. In der Union gibt es ebenfalls Widerstand. Jetzt zwingt die EU-Kommission Spahn zum Handeln.

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