EuGH-Urteil

Bundessozialrichter sieht keinen Ausweg

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Berlin -

Rx-Boni über den Rahmenvertrag zu verbieten – so lautet einer der Vorschläge, um die Preisbindung nach dem EuGH-Urteil wieder in Kraft zu setzen. Keine gute Idee, findet Professor Dr. Ernst Hauck, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht (BSG). Dann drohe Deutschland nur das nächste EU-Verfahren.

In der Neuen Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) hat Hauck den Richterspruch aus Luxemburg unter die Lupe genommen. Seine Schlussfolgerung lautet: „Das EuGH-Urteil gibt keinen Anlass, im EU-Ausland ansässigen Versandhandelsapotheken bei Belieferung des deutschen Marktes der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten Rahmenvertragsrecht aufzuzwingen, das dem Recht der Warenverkehrsfreiheit widerspricht.“

Mit anderen Worten: Der Versuch, ausländische Versandapotheken über den Rahmenvertrag zurück ins deutsche Preisrecht zu zwingen, würde laut Hauck ebenfalls gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Verschiedene Juristen hatten eine solche Lösung ins Spiel gebracht: Als Partner des Rahmenvertrags müssten sich auch ausländische Versender an die Preisbindung halten, um mit den Kassen abrechnen zu können. Durch Übertragung ins Sozialrecht würde ein Boni-Verbot der europarechtlichen Bewertung entzogen, so die Idee. Der Vorschlag der SPD-Politiker Dr. Edgar Franke und Sabine Dittmar, Rx-Boni zu deckeln, fußt ebenfalls auf diesem Gedanken.

Dass sich nun einer der obersten Sozialrichter anders positioniert, macht die Sache nicht einfacher. Ähnlich wie Hauck hatte dagegen zuletzt der GKV-Spitzenverband argumentiert: Weil der EuGH Rx-Boni als nahezu einziges Instrument für ausländische Versandapotheken eingestuft habe, um im Wettbewerb mit Präsenzapotheken in Deutschland bestehen zu können, sehe man keine Basis für Sanktionen, wies Vorstandsvize Johann-Magnus von Stackelberg die Forderung zurück, DocMorris wegen seiner Boni von der Versorgung auszuschließen.

Laut Hauck ist es abwegig, „mit der früher ausgesprochenen Billigung des EuGH nunmehr für ein totales Versandhandelsverbot Stimmung zu machen“. Eine solche Maßnahme könne EU-rechtlich „nur unter Einbeziehung der seit ihrer Einführung mit der Versandhandelserlaubnis in Deutschland gesammelten Erfahrungen beurteilt werden“.

„Die Erfahrungen sprechen eher gegen früher befürchtete Gesundheitsgefährdungen und für eine Verbesserung der Versorgungsstrukturen bei Beibehaltung der Möglichkeit eines Versandhandels von Arzneimitteln“, so Hauck weiter. „Hierbei sind zudem die Folgen aus der Kombination mit dem europarechtskonformen Fremdbesitzverbot zu berücksichtigen. Wieso der Eingriff in die Berufsfreiheit durch ein totales Versandhandelsverbot für Arzneimittel nach nationalem Verfassungsrecht verhältnismäßig sein sollte, erschließt sich ebenfalls nicht.“

Hauck spricht sich vielmehr für eine „intelligente Lösung des Gesetzgebers für das nationale deutsche Recht“ aus, die „die Entscheidung des EuGH als Chance begreift, Patienten, Beitragszahler und Krankenkassen als am System der gesetzlichen Krankenversicherung Beteiligte ohne Schädigung wesentlicher nationaler Versorgungsstrukturen für Arzneimittel an den Vorteilen des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes durch Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland teilhaben zu lassen“.

Hauck ist seit Oktober beim BSG Vorsitzender des für die gesetzliche Krankenversicherung zuständigen 1. Senats. Davor gehörte er seit 2005 dem Senat an, der 2013 Nullretaxationen als apothekerliches „Berufsrisiko“ für zulässig erklärt hatte. Zwischendurch leitete er von August bis September 2016 kurzzeitig den 3. Senat, der eigentlich für Streitigkeiten der Kassen mit Leistungserbringern zuständig ist. Diese Richter hatten unter anderem die freie Apothekenwahl im Bereich der Sterilrezepturen gekippt und die Klage mehrerer Apotheker auf Rückerstattung des Kassenabschlags abgewiesen.

In Sachen Preisbindung hatten paradoxerweise ausgerechnet Haucks ehemalige Kollegen am 3. Senat im November – also nach dem EuGH-Urteil und dem Wechsel ihres bisherigen Vorsitzenden in den 1. Senat – entschieden, dass ausländische Versandapotheken keinen Anspruch auf den Herstellabschlag als einen „sich aus dem deutschen Arzneimittelpreisrecht ergebenden Vorteil“ haben, solange sie „das Arzneimittelpreisrecht nicht insgesamt akzeptieren“.

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