Arzneimittelversorgung

Grüne: Light-Apotheken für Landbewohner

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Berlin -

Nach dem gescheiterten Vorstoß von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in Sachen Rx-Versandverbot fordern die Grünen im Bundestag eine generalstabsmäßige Reform des Apothekenmarktes. Die Preisbindung soll sofort weg, stattdessen soll eine Expertenkommission Vorschläge für ein neues Honorar und die Sicherstellung der Versorgung auf dem Land machen.

Patienten hätten Anspruch auf eine gute Arzneimittelversorgung und eine fachkompetente Beratung – egal ob in der Stadt oder auf dem Land, am Tag oder in der Nacht, als Chroniker oder Akutfall, schreiben die Grünen in ihrem Antrag. Präsenzapotheken leisteten zwar „unverzichtbare Dienste“, die „auch weiterhin flächendeckend und wohnortnah gewährleistet werden müssen“. Als Beispiele werden die persönliche Beratung, die kurzfristige Arzneimittelherstellung und das Angebot von Nacht- und Notdiensten genannt. Der Rx-Versandhandel stelle aber für bestimmte Patienten einen „zwar nur ergänzenden, aber wichtigen Teil der Gesundheitsversorgung“ dar. Insbesondere Patienten mit komplexen chronischen und seltenen Erkrankungen profitierten.

Durch immer komplexer werdende Arzneimitteltherapien stiegen die Anforderungen des Apothekers als Heilberuf. „Damit wachsen die Anforderungen an die pharmazeutischen und kommunikativen Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker.“ Eine weitere Herausforderung stelle die Sicherung der flächendeckenden Versorgung dar: „Gesellschaftliche Entwicklungen wie der wachsende Anteil älterer Patientinnen und Patienten, die Abwanderung vor allem junger Menschen in die Ballungsräume, sowie die Bevorzugung von Angestelltenverhältnissen und geregelten Arbeitszeiten in den Gesundheitsberufen erfordern neue regionale Versorgungskonzepte“, konstatiert die Fraktion.

Dazu kämen schließlich der hohe Altersdurchschnitt der Apothekeninhaber und die zunehmende Herausforderung, an weniger lukrativen Standorten einen Nachfolger zu finden. „Diese Entwicklungen stellen die eigentlichen Herausforderungen der zukünftigen Arzneimittelversorgung dar.“ Um sie zu verstehen und Antworten zu finden, sei nicht nur eine grundlegende Versorgungsforschung notwendig. „Apothekerinnen und Apotheker müssen zum wichtigen Bestandteil einer aufeinander abgestimmten und sektorübergreifenden regionalen Versorgung werden“, so die Grünen.

Das Rx-Versandverbot sei keine Antwort auf diese Herausforderungen – und obendrein rechtlich nicht durchsetzbar, so die Grünen. Die Fraktion fordert daher, das Thema nicht weiter zu verfolgen, sondern stattdessen Höchstpreise für alle Apotheken einzuführen. Dadurch könnten Mehrkosten für die Versicherten verhindert werden. Um einen „ruinösen Wettbewerb“ zu vermeiden, müssten die Boni gegebenenfalls im Sozialgesetzbuch (SGB V) gedeckelt werden, so wie von der SPD vorgeschlagen.

Um das System weiterzuentwicklen, solle gemeinsam mit den Ländern und Apothekenkammern „ein flächendeckendes, regelmäßiges und transparentes Monitoring des Apothekenmarktes und der bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung“ eingeführt werden. Eine Expertenkommission soll der Politik außerdem zeitnah konkrete Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung unterbreiten. Dabei geht es einerseits um das Honorierungs- und Preissystem der Apotheken – hier verweisen die Grünen auf die Vorschläge von Monopolkommission und Sachverständigenrat sowie anderen Ökonomen.

Die Grünen monieren, dass derzeit nur wenige Daten zum Apothekenmarkt vorlägen. Die offiziellen Zahlen von ABDA und Kammern insbesondere zu Eröffnungen und Schließungen würden „nur unzureichend zur Verfügung gestellt“. Es gebe aber Hinweise, dass die Preisbindung gerade nicht zu einer flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung führe. Im Antrag wird darauf hingewiesen, dass zwei von drei Apotheken beim Jahresumsatz unter dem Durchschnitt lägen und auch die Gewinne ungleich verteilt seien.

„Diese ungleiche Verteilung ist, trotz Preisbindung, seit Jahren relativ konstant. So wundert es nicht, dass neue Apotheken vor allem in lukrativeren, städtischen Regionen entstehen. Nur ein Bruchteil der Neueröffnungen befindet sich auf dem Land.“ Ein weiteres Indiz für diesen Konzentrationsprozess und die Wirkungslosigkeit der Preisbindung sei die stark gestiegene Beschäftigtenzahl, während die Anzahl der Apotheken in etwa der von 1991 entspreche. „Sollte sich der Trend der leicht Rückgängigen Apothekenzahlen in den letzten Jahren jedoch fortsetzen, wird es voraussichtlich zu Schließungen in ohnehin bereits weniger versorgten Gebieten kommen – auch weil die Preisbindung darin versagt hat, hier einen, gegenüber der Stadtlage, wirtschaftlich attraktiven Betrieb zu ermöglichen.“

Davon, dass der Versandhandel die Apothekenzahlen signifikant beeinflusst hätte, könne nicht ausgegangen werden, schreiben die Grünen und räumen ein, dass dies auch am hohen Aufwand im Zusammenhang mit dem Papierrezept liegen könnte. Gemeinsam mit den Ländern und Apothekenkammern solle jedenfalls ein Monitoring der Entwicklung und jeweiligen Hintergründe des Apothekenmarktes und der Arzneimittelversorgung eingeführt werden, um „flächendeckend Veränderungen der Patientenversorgung rechtzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten“.

Eine Expertenkommission aus Patienten- und Selbsthilfevertretern, Apothekern und anderen versorgungsrelevanten Gesundheitsberufen, den Bundesländern, Krankenkassen sowie Wissenschaftlern soll außerdem konkrete Maßnahmen vorschlagen, wie in ländlichen oder sozial benachteiligten Regionen „flexiblere und bedarfsgerechte Versorgungsangebote in ländlichen und sozial benachteiligten Regionen“ geschaffen werden können.

„Die bestehenden Regulierungen bieten kaum Möglichkeiten, flexibel auf veränderte Versorgungsbedarfe etwa durch den demografischen Wandel zu reagieren. Dabei wäre dies gerade für die Arzneimittelversorgung ländlicher und sozial benachteiligter Regionen von großer Bedeutung.“

Die Grünen weisen darauf hin, dass für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke zahlreiche rechtliche Bedingungen erfüllt sein müssten. Vorgaben zu den Betriebsräumen, zur Mindestgrundfläche und zum Vorhandensein setzten dem wirtschaftlichen Betreiben einer Apotheke hohe Hürden. „Hierfür ist zu prüfen, ob und wie von den Anforderungen abgewichen werden könnte. Dadurch könnten Angebote ermöglicht werden, die gerade in dünn besiedelten Regionen die notwendige Versorgung gewährleisten, aber nicht das gesamte apothekenübliche Leistungsspektrum abbilden müssen.“

Vor allem in ländlichen und sozial benachteiligten Regionen komme es auf die gute Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe an. Derzeit werde bei Maßnahmen zur dauerhaften Sicherstellung der Versorgung noch vorrangig an Ärzte gedacht. Dabei hätten Gemeinden schon heute die Möglichkeit, selbst Apotheken zu betreiben. „In Zukunft muss bei der Planung von Ärztehäusern oder Medizinischen Versorgungszentren neben anderen Gesundheitsberufen auch die Arzneimittelversorgung nach diesem Vorbild von Beginn an mitgedacht werden.“

Auch über das Honorar wollen die Grünen die Ansiedlung von Apotheken steuern. Denkbar sei ein Sicherstellungzuschlag, der vergleichbar mit der Notdienstversorgung aus einem umlagefinanzierten Fonds gespeist werden solle. Außerdem sollten die Experten konkrete Empfehlungen vorlegen, wie die Vergütung der Apotheken grundlegend weiterentwickelt werden könne. „Ein künftiges Honorierungssystem sollte insgesamt Anreize für eine differenzierte Patientenversorgung und für mehr Qualität setzen. Außerdem soll die pharmazeutische Beratung unter den Bedingungen komplexerer Arzneimitteltherapien und damit einhergehender höherer Anforderungen an die Arzneimitteltherapiesicherheit gestärkt werden.“

„Diskussionswürdig wäre es, eine eigene einfache und transparente Gebührenordnung für die pharmazeutische Leistung der Apotheken zu schaffen. Diese könnte auch die zu Fehlanreizen führende strikte Verknüpfung mit der Arzneimittelabgabe aufheben. Ziel ist eine Vergütung, welche die geleistete pharmazeutische Beratungsleistung stärker honoriert.“

Die Zuzahlungen für verschreibungspflichtige Medikamente schließlich seien in ihrer Steuerungswirkung umstritten und mit bürokratischem Aufwand verbunden, belasteten aber vor allem Patienten mit geringen Einkommen in besonderem Maße. „Sie sollten daher mittelfristig abgeschafft werden.“

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