Rx-Festpreisbindung

BMG schließt Teilmengen-Schlupfloch

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Berlin -

Die Rx-Festpreisbindung ist derzeit ein besonders heißes Eisen. Der EuGH war nicht das erste Gericht, das an der Grundfeste im deutschen Arzneimittelmarkt rüttelte: Vor anderthalb Jahren stellte der Bundesgerichtshof (BGH) Blister-Apotheken vom einheitlichen Abgabepreis frei. Obwohl die befürchteten Umgehungsversuche der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bislang ausgeblieben sind, bessert Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) jetzt vorsorglich nach.

Arzneimittel für die Verblisterung unterliegen nicht der Preisbindung. 2006 hatte die Große Koalition mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) – neben Vorgaben zur Abgabe von patientenindividuellen Blistern – eine Ausnahmeregelung für die Preisbildung eingeführt: Ausgenommen von der AMPreisV sind demnach „die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“.

Im vergangenen März stellte der BGH klar: „Die Vorschrift erfordert auch nicht, dass die Abgabe der Teilmenge auf einer ärztlichen Verordnung beruht.“ Den Richtern zufolge muss gewährleistet sein, dass eine individuelle Zusammenstellung von Arzneimitteln in Blistern nicht behindert wird. Die Vorteile überwiegen den Richtern zufolge das Risiko des Missbrauchs, das sie ohnehin als gering einschätzten. Sie nahmen nicht an, dass Arzneimittel in neue Blister verpackt werden, um Preisvorschriften zu umgehen. „Für eine ernstzunehmende Gefahr eines solchen Verhalten ist auch nichts ersichtlich“, hieß es in der Urteilsbegründung.

Das BMG will nun mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) für eine Klarstellung sorgen: „Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt von aus Fertigarzneimitteln aufgrund ärztlicher Verordnung entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“, heißt es im Kabinettsentwurf.

Durch das BGH-Urteil sei es „in den Fachkreisen zu Unsicherheiten hinsichtlich der Abrechnungsgrundlage für Apotheken mit den Krankenkassen gekommen“, heißt es zur Begründung. Es bedürfe daher einer Klarstellung, mit der der Einführung der Ausnahmeregelung entsprochen werde, wonach die AMPreisV nur dann keine Anwendung finde, wenn die Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommener Teilmengen aufgrund ärztlicher Verordnung erfolge. „Mit der Beseitigung der Unklarheiten zur Abrechnung wird das berechtigte Interesse der Arzneimittelverbraucher an der Sicherstellung der Versorgung, insbesondere der Personen in Pflegeheimen, berücksichtigt.“

In dem Verfahren vor dem BGH ging es um Boni, die Ratiopharm auf die speziellen Großpackungen für die Verblisterung gewährt hatte. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen das Modell geklagt, da es darauf ankomme, was der Arzt verordne und bei den Krankenkassen abgerechnet werde. Wenn der Patient im Endeffekt die gesamte Packung erhalte, könne nicht von einer Teilmenge gesprochen werden und die Ausnahmeregelung nicht greifen. Genauso sahen es das Landgericht Ulm (LG) und das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG).

Ratiopharm argumentierte, dass es nicht darauf ankomme, ob der Arzt eine Teilmenge verordne oder der gesamte Fertigpackungsinhalt abgegeben werde. Entscheidend sei die „Entnahme“ einer Teilmenge. Zudem könnten Apotheken bei der Verblisterung ihre Preise auf der Verkaufsseite kalkulieren. Es sei „nicht nachzuvollziehen“, warum dies nicht auch auf der Einkaufsseite möglich sein sollte. Die patientenindividuelle Verblisterung sei für die Apotheken mit „erheblichen Zusatzkosten“ verbunden: „Ohne den vergünstigten Erwerb vom Hersteller wäre kein Apotheker mehr bereit, den finanziellen und personellen Aufwand zu tragen“, so Ratiopharm in dem Verfahren.

Bislang stand nur der Rahmenvertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband einer Ausweitung der Ausnahmevorschrift entgegen: Dort ist geregelt, dass die Abgabe einer Teilmenge nur auf ausdrückliche ärztliche Anordnung zulässig ist – zumindest soweit nichts anderes vereinbart ist.

Die Abgabe von Teilmengen ist in den Apotheken eher eine Seltenheit. Sie kommt beispielsweise bei Substitutionspatienten vor, die das notwendige Betäubungsmittel nur für eine bestimmte Zahl an Tagen erhalten. Bei Spiralen dagegen wird die Preisbindung zum Teil schon heute bewusst umgangen: Sie werden in Bündelpackungen vom Hersteller abgegeben, vom Apotheker ausgeeinzelt und zu „Sonderpreisen“ an Patienten verkauft. Diese Preise könnten auch höher liegen als der eigentliche Festpreis – Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt.

Kritiker warnten, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es bei der Pille ähnliche Angebote gebe: Zwei Dreimonatspackungen statt der Variante für sechs Monate – mit Rabatt, versteht sich. Inwieweit die Werbung für solche Schnäppchen zulässig ist, steht auf einem anderen Blatt.

Laut Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Freiburger Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen stellte die BGH-Entscheidung sogar die Erforderlichkeit des deutschen Preisrechts infrage. Douglas warnte, dass sich im EuGH-Verfahren schwer erklären lasse, warum das Festhalten an Festpreisen nötig sei, wenn beim zunehmend an Bedeutung gewinnenden Blistern eine Ausnahme gemacht werde.

Bei der Abgabe von Teilmengen gibt es grundsätzlich zwei Arten der Abrechnung: Wird eine geringere Menge als die kleinste verfügbare Packung aus ebendieser Packung entnommen, können Apotheker – entsprechend dem jeweiligen Liefervertrag – meistens einfach die kleinste Packung abrechnen. Solche Regelungen haben etwa der DAV mit dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) sowie der DAK, der Hessische Apothekerverband (HAV) mit den dortigen Primärkassen und der Sächsische Apothekerverband (SAV) mit einigen Kassen vereinbart.

Bei der Auseinzelung muss die Sonder-PZN 02567053 aufgedruckt werden. Bei der Abgabe von patientenindividuellen Teilmengen im Rahmen einer Dauermedikation, etwa in einem Wochenblister, ist neben der Sonder-PZN 02566993 anzugeben, wie viele Herstellungsvorgänge es gab beziehungsweise welche Teilmengen entstanden sind. Die Teilmenge wird als Promilleanteil angegeben: eine ganze Packung mit 1000 und beispielsweise sieben Tabletten aus einer Packung mit 28 Tabletten mit 250.

In beiden Fällen wird außerdem ein 40-stelliger sogenannter Hash-Code auf das Rezept gedruckt. Dieser Wert wird aus den Angaben auf dem Rezept generiert. Darin sind die IK der Apotheke, die Transaktionsnummer, der Zeitstempel sowie die PZN des verwendeten Präparats, dessen Preis, sowie Zähler und Anzahl der applikationsfertigen Einheiten codiert.

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