Rx-Boni

Glaeske: Apotheker-Lobby am BGH

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Berlin -

Der Gesundheitsökonom Professor Dr. Gerd Glaeske ist mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Rx-Boni nicht zufrieden. In einem Interview mit der „Zeit“ äußert er indirekt Zweifel an der Unabhängigkeit deutscher Gerichte. Glaeske wünscht sich außerdem ein neues Honorarsystem für Apotheker und stellt das Fremdbesitzverbot erneut in Frage.

Der BGH hatte gestern in mehreren Urteilen erneut entschieden, dass sich auch ausländische Versandapotheken an die Preisbindung halten müssen. Das Rx-Boni-Verbot begründen die Karlsruher Richter mit gleichen Wettbewerbsbedingungen.

Auf den Einwurf der „Zeit“, deutsche Gerichte verteidigten seit Jahren die Monopolstellung der Apotheken gegen alle Preiskämpfe, sagt Glaeske: „Das war ausgezeichnete Lobbyarbeit der Apotheker. Sie konnten die bestehenden Strukturen erhalten.“

Das Argument der Apothekerlobby sei die angeblich schlechtere Qualität der Versorgung: Im Internet würden Kunden zu viele überflüssige Medikamente bestellen. Bei den Ketten sei die Auswahl an Medikamenten zu einseitig. „Empirisch gibt es aber keinerlei Hinweis darauf, dass die Struktur einer Apotheke die Qualität der Versorgung beeinflusst“, so Glaeske.

In der Praxis werde das BGH-Urteil nicht viel ändern: „Die konservativen Apotheker fühlen sich jetzt natürlich bestätigt, so weiterzumachen wie bisher.“ Das aktuelle Honorarsystem belohne nur die ordnungsgemäße Abgabe eines Arzneimittels. Was Glaeske fehlt, ist ein eigenständiges Beratungshonorar.

Denn bei einem 15-minütigen Beratungsgespräch und anschließendem Abraten von dem Medikament verdiene der Apotheker heute nichts. „Um doch etwas Geld zu bekommen, versucht er dann, dem Kunden Medikamente zu verkaufen, selbst dann, wenn sie nicht unbedingt einen Nutzen versprechen“, ist Glaeske überzeugt.

Das größte Problem sieht der Bremer Professor im derzeitigen Kollektivvertragssystem. Es spiele keine Rolle, ob der Apotheker gut oder schlecht arbeite. Dass sich daran schnell etwa ändert, erwartet Glaeske nicht: „Den meisten Apothekern geht es noch zu gut in diesem System. Deswegen wollen sie nichts ändern.“

Der Gesundheitsökonom würde sich ein Pay-for-performance-System wie in Australien oder den USA wünschen. „Denn den reinen Medikamentenverkauf können auch andere übernehmen. Wichtiger wäre eine bessere Beratung.“

Hier sieht Glaeske bei den Apothekern noch viel Luft nach oben: Jedes Jahr müssten in Deutschland 300.000 Menschen wegen Wechselwirkungen von Medikamenten ins Krankenhaus. „Die Hälfte davon ließe sich vermeiden, wenn Apotheker die komplette Medikation qualifiziert überprüfen würden – die Softwarevoraussetzungen existieren längst“, so der Gesundheitsökonom im Zeit-Interview.

Dennoch rät er Verbrauchern, beim Kauf von OTC-Produkten auf den Preis zu achten: „Wenige gehen in eine andere Apotheke, weil sie dort günstiger kaufen können. Dass sich die Preise unterscheiden, wird oft nicht wahrgenommen. Dabei kann ich nur jedem raten, dorthin zu gehen, wo der politisch gewollte Preiswettbewerb auch funktioniert. Also dort, wo der Apotheker seine Einkaufsrabatte an den Kunden weitergibt und Arzneimittel preisgünstig anbietet“, so Glaeske.

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