Rx-Boni

OLG: Apotheken benötigen keinen Schutz

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Berlin -

Die Rx-Boni-Frage ist aus Sicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) noch nicht geklärt. Weil die EU-Kommission sich bei der deutschen Regierung über die Arzneimittelpreisbindung erkundigt hat, will auch das OLG wissen, ob das Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken gerechtfertigt ist. Das Gericht hat drei Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Aus der Begründung des Beschlusses wird deutlich, dass die Düsseldorfer Richter einen Schutz der Präsenzapotheke in Zeiten des Versandhandels nicht für notwendig halten.

In dem Verfahren ging es um ein Bonusmodell der Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) in Zusammenarbeit mit der Versandapotheke DocMorris. Im Auftrag der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) hatte die Wettbewerbszentrale gegen das Modell geklagt und in erster Instanz auch Recht bekommen. Demnach verstoßen die Boni gegen die Preisbindung. Das Berufungsverfahren wurde heute vom OLG ausgesetzt, bis der EuGH entschieden hat, wie die EU-Verträge auszulegen sind.

Konkret geht es um Artikel 34, der die mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (Warenverkehrsfreiheit), sowie Artikel 36, der solche Beschränkungen erlaubt, die zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. Das OLG teilt die Zweifel der EU-Kommission, dass ein Rx-Boni-Verbot für ausländische Versender gerechtfertigt ist.

Sollte der EuGH keine Beschränkung des Warenverkehrs sehen, ist der Fall laut OLG schnell geklärt: Dann sei die Klage abzuweisen und die Boni wären verboten. Komplizierter wäre es demnach, einen festgestellten Verstoß gegen das EU-Recht zu rechtfertigen – worauf die zweite Frage des OLG zielt. Die Düsseldorfer Richter sind sich bewusst, dass der EuGH solche Rechtfertigungen bislang anerkannt hat. Doch da Patienten heute mehr Möglichkeiten hätten, Arzneimittel im Internet zu bestellen, könnte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung zumindest relativieren, so das Argument.

Wenn der EuGH die Beschränkungen für zulässig erklärt, muss das OLG sich nach eigener Auffassung mit der Behauptung befassen, nur die Preisbindung allein sichere eine flächendeckende Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die dritte Frage an den EuGH soll klären, wie hoch die Anforderungen an solche Feststellung sein müssten. Denn der Gesetzgeber begnüge sich mit dem bloßen Hinweis auf diese Gefahren. Davon habe sich schon die EU-Kommission nicht überzeugen lassen.

Das OLG fügt in eigener Sache noch hinzu, dass Versandapotheken zur Sicherung der Versorgung einspringen könnten: „Hinzu kommt auch insoweit die Frage, ob etwaige Gefahren für stationäre Apotheken, insbesondere im ländlichen Raum, im Hinblick auf die Möglichkeit einer Versandlieferung möglicherweise hinzunehmen sind“, heißt es in der Begründung des Beschlusses.

Grundsätzlich ist auch dem OLG bewusst, dass das Bonusmodell von DocMorris gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) und die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verstößt. Entscheidend sei, ob die gesetzlichen Vorschriften auch europarechtskonform seien. Dies ist laut OLG mit Verweis auf die unterschiedlichen Positionen umstritten: So habe der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte eine Diskriminierung ausländischer Versandapotheken nicht gesehen, weil das Boni-Verbot für alle gleichermaßen gelte. Die EU-Kommission gehe dagegen davon aus, dass die EU-Versender von der Preisbindung härter getroffen würden.

Nachdem der Gesetzgeber Ende 2012 klargestellt hatte, dass die AMPreisV auch für DocMorris & Co. gilt, hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Das Argument: Der strukturelle Nachteil der Versandapotheken müsse dadurch ausgeglichen werden, dass für sie die eigenen nationalen Bestimmungen – und damit das Preisrecht – gelten. Für deutsche Apotheken sei der Versandhandel immerhin nur ein zusätzlicher Vertriebsweg.

Wie die EU-Kommission hat auch das OLG Zweifel, ob die Preisbindung zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gerechtfertigt ist. Der Gemeinsamen Senat hatte auf den Spielraum des Gesetzgebers verwiesen. Ein anderes System, dass ebenso gut wie die Preisbindung eine Gefährdung der Versorgung durch einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen Apotheken verhindern könnte, sei nicht erkennbar. Auch auf die Gefahr eines Fehl- und Mehrgebrauchs von Arzneimitteln wurde hingewiesen.

Dass die Preisfreiheit einen Fehlgebrauch von Arzneimitteln begünstigen würde, ist aus Sicht der EU-Kommission abwegig, da die Abgabemenge durch den verordnenden Arzt gesteuert wird. Dem schließt sich das OLG an: In Brüssel sei man sogar der Ansicht, gerade günstige Preise könnten die ländliche Versorgung sicherstellen.

Die Parteien – also die DPV und die Wettbewerbszentrale – werden als nächstes vom EuGH zur Stellungnahme aufgefordert. Ob es dann zu einer mündlichen Verhandlung in Luxemburg kommt, ist offen. Rechtsanwalt Dr. Claudius Dechamps, der die Wettbewerbszentrale vertritt, rechnet mit einem Urteil des EuGH in etwa zwei Jahren.

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