Inländerdiskriminierung

Rx-Boni: Mit Ofenkrusti gegen die Preisbindung

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Berlin -

Der zu erwartenden Angriff auf die Preisbindung kommt schneller als erwartet: Eine Darmstädter Apotheke führt ihr Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) zu Rx-Boni weiter und will die Sache notfalls vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bringen. Denn die aktuelle Ungleichbehandlung verstößt aus Sicht der Inhaberin gegen das Grundgesetz.

Deutsche Apotheken sind seit dem EuGH-Urteil einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt: Während ausländische Versandapotheken Rx-Boni gewähren dürfen, müssen sich nationale Anbieter weiter an die Preisbindung halten. Große deutsche Versandapotheken streben deshalb gemeinsam ein Verfahren an: Ein Anbieter will zeitnah gegen das Boni-Verbot verstoßen und sich verklagen lassen, die Kosten wollen sich die Versender teilen.

Die Darmstädter Apotheke ist schon einen Schritt weiter. Die Inhaberin hatte im Jahr 2014 Vorteile beim Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel gewährt. Rezeptkunden erhielten einen Gutschein über zwei „Wasserweck“ oder ein „Ofenkrusti“, der bei einer in der Nähe gelegenen Bäckerei eingelöst werden konnte. Dagegen war die Wettbewerbszentrale vorgegangen, zunächst mit Erfolg: Das Landgericht Darmstadt untersagt der Apothekerin, den Bonus anzubieten. Das OLG Frankfurt bestätigte dies im Eilverfahren.

Im Hauptsacheverfahren entschied das LG Darmstadt noch am 10. Juni 2016 erneut, dass die Boni unzulässig sind. Zwischenzeitlich hatte das OLG Düsseldorf allerdings den Streit um DocMorris-Boni zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) dem EuGH vorgelegt. Am 19. Oktober erklärte der EuGH, dass die Preisbindung für ausländische Versandapotheken nicht gilt.

Die beklagte Darmstädter Apothekerin führt ihr Verfahren daher weiter. Ihr Anwalt, Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen, hatte beim OLG eine Fristverlängerung für die Berufungsbegründung erwirkt, um den Spruch aus Luxemburg abzuwarten. Jetzt fordert der Rechtsanwalt das OLG auf, das Urteil des LG aufzuheben und die Klage der Wettbewerbszentrale zurückzuweisen. Die Brötchengutscheine sind aus Sicht der Apotheke ohnehin eine Sachzugabe und damit erlaubt.

Mit dem EuGH-Urteil haben sich die Verhältnisse zudem verändert. Bereits jetzt erfolge ein „massiver Preiswettbewerb“ durch ausländische Versandapotheken, begründet Douglas die Berufung. In diesem Licht müsse der vermeintliche Wettbewerbsverstoß der Darmstädter Apotheke gesehen werden. Im Verhältnis zum aktuellen Preiswettbewerb sei dieser Verstoß nämlich unerheblich.

Das Gesetz, auf das sich die Verurteilung durch das LG stütze, sei „nicht mehr geeignet und erst recht nicht mehr verhältnismäßig, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen“, schreibt Douglas. Sollte das OLG den Verstoß nicht wegen der Verhältnismäßigkeit ohnehin ablehnen, sei das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen.

Douglas stützt sich auf Artikel 100 des Grundgesetzes. Laut Absatz 1 muss ein Gericht sein Verfahren aussetzen und in Karlsruhe vorlegen, wenn es „ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig“ hält. Das BVerfG müsste sich in diesem Fall mit der Frage befassen, die seit dem EuGH-Urteil in dem Begriff „Inländerdiskriminierung“ kulminiert. Karlsruhe könnte dem Gesetzgeber eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auftragen.

Weniger spektakulär, aber ebenfalls mit weitreichenden Folgen wäre eine Klageabweisung in Frankfurt. Wenn das OLG der Darmstädter Apothekerin erlaubt, Rx-Boni zu gewähren, wäre das ein deutlicher Fingerzeig. Sehr wahrscheinlich, dass dann weitere Apotheken nachziehen und sich auf diese Entscheidung berufen würden. Je nachdem, wie die Aufsichtsbehörden reagieren und weitere mögliche Verfahren ausgehen, könnte es – wie bei der ersten „Boni-Welle“ – wieder einen Flickenteppich unterschiedlicher Urteile geben; bis zu einer letztinstanzlichen Klärung oder Reaktion des Gesetzgebers.

Die dritte Möglichkeit: Das OLG erkennt die Inländerdiskriminierung nicht an und gibt der Klage statt, ohne den Fall aber nicht in Karlsruhe vorzulegen. Die Darmstädter Apothekerin müsste ihr Glück dann beim Bundesgerichtshof (BGH) versuchen.

Das anstehende Urteil des OLG Frankfurt ist schon deshalb spannend, weil die Richter im Eilverfahren entschieden hatten, obwohl die Kollegen aus Düsseldorf ihren Fall schon beim EuGH vorgelegt hatten. Das OLG Frankfurt wollte sich davon nicht ausbremsen lassen, sondern schloss sich „der überzeugenden Begründung“ des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte an, wonach sich auch ausländische Versandapotheken an die deutschen Preisvorschriften halten müssen.

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