Rx-Boni

BGH lässt DocMorris abblitzen Alexander Müller, 01.03.2016 11:02 Uhr

Berlin - 

DocMorris ist beim Bundesgerichtshof (BGH) mit zwei Nichtzulassungsbeschwerden gescheitert. Die Karlsruher Richter wiesen die niederländische Versandapotheke in beiden Verfahren zu Rx-Boni ab. Der BGH sieht auch keine Notwendigkeit, den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen oder das Verfahren auszusetzen. Vielmehr bekräftigt der Senat seine Auffassung, dass das deutsche Preisrecht auch für ausländische Versandapotheken gilt. Damit gibt der BGH ein überraschend deutliches Statement zum anstehenden EuGH-Verfahren ab. In Luxemburg wird am 17. März über die Preisbindung verhandelt.

Gestritten wurde um verschiedene Bonusmodelle von DocMorris. Die Apothekerkammer Nordrhein war jeweils erfolgreich gegen die Versandapotheke vorgegangen. Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hatte DocMorris unter anderem die Boni zwischen 2,50 und 15 Euro verboten sowie die später eingeführte Entschädigung für die Teilnahme an einem Arzneimittelcheck. Hier gab es ebenfalls bis zu 15 Euro – allerdings nur bei Rx-Bestellungen. Das OLG hatte in beiden Fällen keine Revision zum BGH zugelassen. Dagegen hatte DocMorris Beschwerde in Karlsruhe eingelegt.

Doch die Karlsruher Richter wiesen beide Beschwerden Ende Januar ab. Die Sache habe weder grundsätzliche Bedeutung, noch sei das Verfahren wegen des parallel laufenden Prozesses in Luxemburg auszusetzen. Der BGH verweist auf seine eigene Entscheidung zu Rx-Boni sowie die Bestätigung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte. Dieser hatte schon 2012 entschieden, dass sich die Holland-Versender an das Preisrecht halten müssen, wenn sie hierzulande Geschäfte machen müssen.

Die obersten Richter hatten dabei auch die europarechtlichen Fragen schon geklärt: Es sei kein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne der europäischen Verträge anzunehmen. Die Beschränkung sei auch keine „Maßnahme gleicher Wirkung“ im Sinne dieser Bestimmung. „Ausländische Versandapotheken werden durch den einheitlichen Apothekenabgabepreis jedoch nicht stärker beschränkt als inländische Versandapotheken, die sich – ebenso wie inländische stationäre Apotheken – an den einheitlichen Apothekenabgabepreis halten müssen“, heißt es im Beschluss. Der Gesetzgeber habe dies im Arzneimittelgesetz (AMG) lediglich noch einmal klargestellt, so der BGH.

DocMorris hatte darauf gehofft, dass das Verfahren ausgesetzt wird, bis der EuGH in dem Vorlageverfahren des OLG Düsseldorf entschieden hat. Dieses hatte im vergangenen Jahr in einem anderen Streit um Rx-Boni von DocMorris den EuGH angerufen. Diese Tatsache an sich veranlasse den BGH jedoch nicht, die Grundsätze der Entscheidung des Gemeinsamen Senats in Zweifel zu ziehen, heißt es im BGH-Beschluss.

Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das OLG die Boni-Frage zu Unrecht in Luxemburg vorlegt. Es stellten sich „keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts“, die ein Vorabentscheidungsersuchen rechtfertigen würden. Unter welchen Voraussetzungen eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit vorliegen, sei durch die EuGH-Rechtsprechung bereits geklärt, so der BGH.

Es sei schließlich Sache der EU-Mitgliedstaaten, „auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dies erreicht werden soll“. Dabei habe auch die deutsche Bundesregierung einen Wertungsspielraum. Die Preisbindung solle einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindern und so eine flächendeckende Arzneimittelversorgung gewährleisten. Die Mitgliedsstaaten müssen demnach nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Der Beweis für das Bestehen einer Gefahr müsse nicht vollständig erbracht werden, die Regierungen dürften selbst geeignete Schutzmaßnahmen treffen.

Das OLG Düsseldorf hatte seine Vorlage auch mit dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland begründet, das die EU-Kommission wegen der Preisbindung eingeleitet hatte. Damit sei die Frage zumindest umstritten, so die Begründung.

Der BGH kann auch dieser Argumentation nicht folgen: Die EU-Kommission habe das Verfahren seit dem Mahnschreiben vom 20. November 2013 nicht weiter betrieben. Auf die Antwort der Bundesregierung habe die Brüsseler Behörde keine mit Gründen versehene Stellungnahme verschickt. Dies ist der nächste Schritt im Vertragsverletzungsverfahren. Auch von einer Klage vor dem EuGH habe die Kommission abgesehen.

Das EuGH-Verfahren stellt aus Sicht des BGH keinen Grund dar, das eigene Verfahren auszusetzen. Zwar könne grundsätzlich auch im Rahmen eines Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde eine Aussetzung vorgenommen werden. Im Rahmen der allgemeinen Interessenabwägung lägen jedoch im Moment kein erkennbares Interesse von DocMorris vor, das es rechtfertigen würden, eine Aussetzung vorzunehmen.

Es war zu erwarten, dass der BGH seine Position nicht vor dem EuGH-Verfahren ändern würde. Dass sich die Karlsruher Richter aber so kurz vor der Verhandlung in Luxemburg noch einmal so klar positionieren, kann schon als Fingerzeig für das Verfahren verstanden werden. Selbstverständlich ist der EuGH in keiner Weise an den BGH-Beschluss gebunden.