Der dritte Showdown Alexander Müller, 28.01.2015 10:55 Uhr
Es ist der dritte Showdown für DocMorris vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH): Nach dem Versandhandel und dem Fremdbesitzverbot geht es diesmal um die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Von der Wettbewerbszentrale verklagt wurde zwar die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV), aber um deren Kooperation mit DocMorris geht es nur im ersten Schritt: Weil das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) eine europäische Komponente im Preisrecht sieht, hat es das Bonusverbot in Luxemburg zur Bewertung vorgelegt. Fragen und Antworten zum neuen EuGH-Verfahren.
Ist die Boni-Frage nicht längst geklärt?
Der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte hat im August 2012 entschieden, dass die Preisvorschriften auch für ausländische Versandapotheken gelten. Ein fairer Wettbewerb setze gleiche Preisgestaltungsmöglichkeiten voraus, hieß es in der Begründung. Die Richter sahen auch das EU-Recht als nicht berührt an. Der EuGH habe im Verfahren um das deutsche Fremdbesitzverbot entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, „auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen“. Dieser Spielraum werde vom deutschen Gesetzgeber mit der Preisbindung nicht überschritten, so der Gemeinsame Senat. Die Position der Luxemburger Richter in dieser Frage sei durch ältere Entscheidungen eindeutig.
Wieso kann das OLG trotzdem den EuGH anrufen?
Grundsätzlich darf jedes Gericht in einem Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn die Auslegung von EU-Recht gefragt ist. Hintergrund ist eine möglichst einheitliche europäische Rechtsprechung mit Blick auf die EU-Verträge. Das OLG sah es nicht als unmöglich an, dass der EuGH anders entscheiden würde als der Gemeinsame Senat. Der Vorsitzende Richter am OLG hat in der Verhandlung selbst gesagt, dass der Zug auf nationaler Ebene abgefahren sei. Anders als der Gemeinsame Senat sieht er aber die Pflicht zur Vorlage am EuGH.
Hat der EuGH das letzte Wort?
Ja, die Entscheidungen des EuGH sind für die vorlegenden Gerichte bindend.
Was wird in Luxemburg genau verhandelt?
Das OLG hat zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH soll klären, ob die Bindung ausländischer Versandapotheken an deutsche Preisvorschriften gegen den freien Warenverkehr innerhalb der EU verstößt und ob eine solche Einschränkung gerechtfertigt ist. Der deutsche Gesetzgeber hatte das Rx-Boni-Verbot im Jahr 2012 unter anderem damit begründet, dass einheitliche Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel der flächendeckenden Versorgung dienen.
Was ist, wenn der EuGH das Bonusverbot verwirft?
Nur wenn der EuGH das Verbot von Rx-Boni für eine ungerechtfertigte Einschränkung des Warenverkehrs erklärt, dürfen ausländische Versandapotheken künftig Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren.
Wären Rx-Boni dann für alle Apotheken erlaubt?
Nein, denn es geht um die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU. Der EuGH muss entscheiden, ob das deutsche Preisrecht auch für ausländische Versandapotheken gilt. Für deutsche Offizin- und Versandapotheken würden die Preisvorschriften weiterhin gelten. Ob der Gesetzgeber unter diesen Umständen am Preisrecht festhalten würde, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich würde sehr schnell eine deutsche (Versand-)Apotheke wegen Inländerdiskriminierung gegen die Ungleichbehandlung klagen. Wäre auch diese erfolgreich oder würde der Gesetzgeber die Preisbindung aufgeben, gäbe es auch auf dem Rx-Markt einen Preiswettbewerb – mit vermutlich gravierenden Auswirkungen.
Wann ist mit einer Entscheidung aus Luxemburg zu rechnen?
Das OLG will seinen Vorlagebeschluss am 24. März verkünden. Experten rechnen dann in Luxemburg mit einer Verfahrensdauer von etwa einem Jahr.
Was gilt bis dahin?
Das geltende Recht in Deutschland verbietet derzeit Rx-Boni, rechtskräftige Urteile haben ebenfalls Bestand. Ob sich die großen niederländischen Versandapotheken davon abhalten lassen, jetzt wieder Rx-Boni zu gewähren, bleibt abzuwarten. Die Wettbewerbszentrale und Apothekerkammern oder -verbände würden vermutlich erneut dagegen vorgehen. Im Eilverfahren müssten deutsche Gerichte dann entscheiden, ob sie etwaige Boni bis zu einer Klärung des EuGH erlauben oder nicht. Die Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit sprechen aber dagegen, dass Rx-Boni vor einer EuGH-Entscheidung freigegeben werden.
Wie ist die Prognose?
Wie immer vor Gericht: Alles ist möglich. Der Gemeinsame Senat das hatte Argumente vorgelegt, warum eine Einschränkung des Warenverkehrs gerechtfertigt sein könnte und dabei auf frühere Entscheidungen des EuGH verwiesen. Trotzdem können die Luxemburger Richter auch anders entscheiden als in Sachen Fremdbesitzverbot. Das OLG selbst hat das Bonusverbot nicht als unzulässig gewertet, sondern die Möglichkeit gesehen, dass der EuGH es so werten könnte.