Rüddel will Gras aus der Apotheke APOTHEKE ADHOC, 18.09.2018 09:01 Uhr
Cannabis aus der Apotheke – nicht als Medizin, sondern zum reinen Genuss: In der CDU beginnt offenbar der Widerstand gegen eine Legalisierung von Cannabis zu bröckeln. Mit Erwin Rüddel hat sich nun erstmals ein einflussreicher Unionspolitiker für die Erprobung einer Liberalisierung ausgesprochen. Er ist der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag.
Die Legalisierungsdebatte wird seit Jahren geführt – doch trotzdem trete man nach wie vor auf der Stelle, bemängelt der Gesundheitspolitiker. Deshalb schlägt er einen Modellversuch vor: In Apotheken soll Cannabis als Genussmittel kontrolliert an einen bestimmten Empfängerkreis abgegeben werden. „Ich hätte gerne mithilfe eines Modellversuches Klarheit darüber, welche Auswirkungen eine veränderte Drogenpolitik haben könnte, und möchte dadurch auch die Diskussion versachlichen“, so der 62-Jährige zur Thüringer Allgemeinen.
Wie genau so ein Versuch aussehen sollte, ist allerdings noch unklar. Eine Ethikkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) solle dafür Vorschläge ausarbeiten. Denn dabei müsse auch sichergestellt sein, dass nur die Person das Cannabis konsumiere, die es in der Apotheke erhält. Rüddel blickt dabei auch auf andere Länder, die in den letzten Jahren den Freizeitkonsum von Cannabis legalisiert haben. „Die Erfahrungen, die andere Länder machen, sind sehr interessant und werden auch von uns aufmerksam verfolgt“, so Rüddel. Einfach auf Deutschland übertragen könne man deren Erfahrungen aber nicht. In Südamerika gehe es bei den Reformen beispielsweise um die Befreiung von Drogenkartellen.
Aus der Opposition erhält der Unionspolitiker Zuspruch. FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg begrüßte seine Initiative und betonte ebenfalls, dass der Weiterverkauf und Abgabe an Jugendliche verhindert werden müsse. Der Arzt und Jurist – ebenfalls Mitglied im Gesundheitsausschuss – hat allerdings auch noch keine genauen Vorschläge, wie der Modellversuch funktionieren könnte. Trotzdem ist er überzeugt: „Wer als Erwachsener Cannabis rauchen will, soll einfach in die Apotheke gehen können.“
Abgesehen von der AfD dürften Rüddels Vorschläge bei allen anderen Bundestagsparteien auf fruchtbaren Boden fallen. Die FDP hat in den vergangenen Jahren die Liberalisierung des Cannabiskonsums zunehmend thematisiert, Grüne und Linke fordern sie sowieso seit langem. Und auch beim Koalitionspartner SPD ist bei dem Thema in letzter Zeit einiges in Bewegung gekommen.
In der Vergangenheit hatte die grüne Bezirksbürgermeistern des Berliner Stadtteils Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Hermann, bereits einen Versuch unternommen, ein derartiges Projekt anzustoßen. Auch aufgrund des Widerstands aus der Bundesregierung kam es nicht dazu. Mittlerweile ist auch die Hauptstadt-SPD auf diesen Kurs eingeschwenkt. Am Samstag beschloss sie einen Antrag, den sie auf dem SPD-Bundesparteitag im November einbringen will. Demzufolge soll sich die SPD auf Bundesebene für staatlich kontrollierten Cannabisanbau und -abgabe einsetzen.
Auch in dem Antrag ist die Rede von Modellversuchen als Zwischenschritt zu einer „modernen Cannabis-Politik“. Bereits im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag des Berliner Senats versprachen die Regierungsparteien, ein Konzept für die Durchführung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts zur kontrollierten Cannabisabgabe zu erarbeiten. So könne der Staat „Dealer arbeitslos machen und den Konsum kontrollieren“, sagt Thomas Isenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner SPD. Die legale Abgabe solle von einem Werbeverbot sowie der finanziellen Stärkung von Jugendschutz und Suchtprävention flankiert werden. Denn auch Isenberg ist sich sicher: „Es bringt nichts, den Konsum zu kriminalisieren.“