Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Vorschläge für Maßnahmen erarbeitet, durch die Arzneimittelrückstände im Trinkwasser verringert werden sollen. Unter anderem könnte das Thema in Zukunft Teil des Pharmaziestudiums werden. Dass bald Warnhinweise auf Arzneimittelpackungen gedruckt werden, scheint hingegen unwahrscheinlich.
Gemeinsam mit dem Umweltbundesamt (UBA) hatte das BfArM den Arbeitskreis „Minimierung des Eintrags von Humanarzneimitteln in das Rohwasser“ (MinimEHR) ins Leben gerufen. Den im März 2017 fertig gestellten Bericht veröffentlichte das BfArM kürzlich, um eine Diskussion der empfohlenen Maßnahmen in der Fachöffentlichkeit zu fördern. Seine Ergebnisse fließen nun in die Arbeit mehrerer ressortübergreifender Arbeitsgruppen ein, die eine „nationale Minderungsstrategie“ entwickeln und abstimmen sollen.
Dass die therapeutische Versorgung trotzdem weiter im Mittelpunkt steht, bekräftigt der Arbeitskreis gleich zu Beginn: Die vorgeschlagenen Maßnahmen „müssen immer unter der obersten Prämisse gesehen werden, dass die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sichergestellt und die Einnahmetreue („Compliance“) nicht gefährdet ist.”
Dennoch: Insbesondere die Vertreter des Umweltbundesamtes haben sich laut Bericht dafür eingesetzt, eine Minimierung auch „durch präventive Maßnahmen zu erreichen, die an der Quelle greifen“. Gemeint sind Ärzte, Apotheker und Patienten gleichermaßen. So sollen zum einen „Änderungen im Gesundheitssystem, wie zum Beispiel die Verschreibungspraxis diskutiert werden“, zum anderen aber auch „präventive Maßnahmen“ erarbeitet werden, um den „übermäßigen oder unsachgemäßen Konsum von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“ zu reduzieren. Also: Weniger Verschreibungen, weniger OTC-Konsum.
Arzneimittelrückstände im Trinkwasser und die potentiellen Gefahren, die von ihnen ausgehen, führen immer wieder zu öffentlichen Debatten. Vergangenen Herbst erst warnten Berliner Behörden davor, dass Sartane aufgrund ihrer Eigenschaften und der hohen Verordnungszahlen als einziger Blutdrucksenker die Qualität der Trinkwasserressourcen im gesamten Bundesgebiet gefährden könnten. Auch wenn die Therapiehoheit dem Arzt obliegt, regten sie an, die Verordnungspraxis anzupassen und auf Alternativen auszuweichen, die nach ökologischen Aspekten weniger bedenklich sind.
Das BfArM scheint von derlei Ratschlägen nicht allzu viel zu halten. Zumindest deutet der Bericht an, dass es die Reduzierung der Arzneimittelrückstände zwar grundsätzlich unterstütze, den Schwerpunkt aber eher in der Aufklärung der Ärzte und der sachgerechten Entsorgung von Arzneimitteln sehe. Wie zur Sicherheit betont die Behörde deshalb mit Blick auf Arzneimittelzulassungen und -versorgung: „Da die Umweltverträglichkeit keinen Versagungsgrund darstellt, ist die Möglichkeit, umweltbelastendere Arzneimittel vom Markt zu nehmen, derzeit nicht gegeben.” Das würde in die Therapiefreiheit der Ärzte eingreifen.
Auch den Vorschlag, durch Aufklärung eine Verringerung des Arzneimittelkonsums herbeizuführen, scheint man in Bonn mit kritischen Augen zu sehen. Die Erarbeitung von derartigen Konzepten verfolge das BfArM bereits im Sinne der Abwehr von Gesundheitsgefahren und der Erhöhung der Patientensicherheit. Worauf konnten sich die Fachleute dann verständigen?
Zuallererst sollen Informationen zusammengetragen werden. MinimEHR halte es für „wünschenswert“, dass in Kooperation mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und der EU-Kommission eine „zentrale Datenbank mit verlässlichen Daten zur Bewertung des Umweltrisikos von Humanarzneimitteln“ erstellt wird. Auch hier wird jedoch betont, dass Konsequenzen für die Zulassung von Arzneimitteln aufgrund umweltrelevanter Aspekte „zur Zeit unrealistisch angesehen“ werden.
Stattdessen solle die Kompetenz der „Apotheker- und Ärzteschaft als wichtigste Akteure im Gesundheitswesen“ gestärkt werden. Neben der Fachkommunikation und Weiterbildung blicken BfArM- und UBA-Experten deshalb auf die Hochschulen: An der Universität Witten-Herdecke wurde bereits in einem Pilotprojekt ein entsprechendes Ausbildungsmodul für das Medizinstudium entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Die Umweltverträglichkeit von Arzneimitteln sollte demzufolge Inhalt des Medizin- und Pharmaziestudiums werden.
Auch in der Fortbildung sehen die Behördenvertreter noch Potential. Als geeignetes Werkzeug zur Vermittlung des einschlägigen Wissensstandes wird hier beispielsweise die Erstellung eines Informationsportals im Internet angesehen, auf dem E-Learning-Materialien und E-Vorträge eingestellt werden, die zur Wissensvermittlung innerhalb von Weiterbildungsmaßnahmen, Vortragsreihen oder der Lehre genutzt werden können. Hier bedürfe es aber noch der Sensibilisierung für das Thema bei der Bundesärztekammer und der ABDA.
Und die Hersteller? Denkbar wären zum Beispiel Warnhinweise auf den Verpackungen. Nach § 10 Arzneimittelgesetz (AMG) könnten diese mit der Zulassungsentscheidung oder auch als spätere Auflagen angeordnet werden. Das Aufbringen von Piktogrammen sieht das BfArM nach eigenen Angaben jedoch kritisch, denn diese müssten einerseits eindeutig und ohne weitere Erklärung verständlich sein. Die Erfahrungen mit entsprechenden Anfragen von Herstellern hätten allerdings gezeigt, dass „die bisher vorgeschlagenen Piktogramme nach hiesiger Einschätzung weder aus sich heraus verständlich noch eindeutig“ gewesen seien.
Andererseits müssten sie europaweit einheitlich gestaltet werden. Und da zweifelt das BfArM offensichtlich an den Möglichkeiten, sich EU-weit zu einigen. Hier würde die Erfahrung mit einem ursprünglich für Kinderarzneimittel vorgesehenen Piktogramm zeigen, dass es „sehr schwierig (bzw. im genannten Fall unmöglich) ist, sich auf ein einheitliches Piktogramm zu einigen“. Mehr hält die deutsche Arzneimittelbehörde da schon von konkreten Warnhinweisen auf den Packungen. Sogar einen konkreten Vorschlag für einen entsprechenden Aufdruck hätte das BfArM schon parat: „Entsorgen Sie das Arzneimittel nicht im Abwasser. Fragen Sie Ihren Apotheker, wie das Arzneimittel zu entsorgen ist, wenn Sie es nicht mehr verwenden. Sie tragen damit zum Schutz der Umwelt bei“, könnte demzufolge verpflichtend auf Arzneimittelpackungen gedruckt werden.
Allerdings sind auch derartige Hinweise europäisch abgestimmt – und da sieht man bei BfArM und UBA offensichtlich erneut wenig Spielraum. Ein entsprechender Hinweis auf der Verpackung werde auf europäischer Ebene derzeit abgelehnt, beendet der Bericht das Thema.
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