Video-Spezial AMNOG

Röslers Spargesetz für Apotheken APOTHEKE ADHOC, 09.11.2010 14:13 Uhr

Berlin - 

Das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) ist auf der Zielgeraden: In Berlin verständigte sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags über die letzten Details. Damit steht fest: Bei Großhandel und Apotheken sollen pro Jahr jeweils 200 Millionen Euro gekürzt werden. Die Vergütung der Großhändler wird 2012 umgestellt; bis dahin müssen sie einen Abschlag zahlen. Der Zwangsrabatt der Apotheken wird für die kommenden beiden Jahre festgeschrieben. Die Betroffenen sind sauer.


„Das ist ganz klar ein Apothekenbelastungsgesetz“, sagt ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. „Wenn wir uns mit anderen Leistungserbringern vergleichen, dann sind wir die einzigen, die belastet werden.“ Dass der Kassenabschlag zwar auf 2,05 Euro erhöht wird, aber immer noch unter den von den Kassen geforderten 2,30 Euro liegt, lässt Wolf nicht gelten. „Vor dem Hintergrund, dass uns hier in die Tasche gegriffen wird, ist jeder Cent zu viel. Allen anderen Leistungserbringern wird Geld gegeben, und wir können den Eindruck nicht verhehlen, dass wir den Zuwachs bei den Anderen finanzieren sollen.“


Auch beim Großhandel ist man alles andere als zufrieden. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass das vorgesehen Sparvolumen von 400 Millionen Euro für Großhandel und Apotheken nicht machbar ist - für beide Teile der Arzneimitteldistribution“, so Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper. „Wir haben in der letzten Legislaturperiode schon dafür geworben, dass die Großhandelsspanne umgestellt wird. Dass das jetzt nochmal ein Jahr dauert, obwohl wir seit sechs Monaten daraufhin hingewiesen haben, dass man eine entsprechende Vorlaufzeit braucht, um das umzustellen, das ist sehr bedauerlich und handwerklich sehr schlecht. Wenn wir uns im Handel und in der Industrie so viel Zeit ließen für solche Dinge, dann wäre es schlecht bestellt um Deutschland“, so Trümper.



Rückblick: Ein halbes Jahr nach der Amtsübernahme stellt Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) im März die Eckpunkte seines Sparpakets vor. Unter dem Punkt „kurzfristig wirksame Entlastungen“ finden sich Apotheken und Großhändler wieder: „Der Großhandel erhält eine leistungsgerechte Vergütung, der Großhandelszuschlag, bisher als prozentualer Anteil, wird auf preisunabhängige Fixzuschläge mit einem kleinen prozentualen Zuschlag umgestellt. Dabei werden Funktionsrabatte an Apotheken berücksichtigt.“


Das klang zwar nicht nach liberaler Gesundheitspolitik; die Großhändler freuten sich trotzdem. Hatten sie doch schon ein Jahr zuvor eine Umstellung ihrer Honorierung gefordert. Ende April legte der Phagro ein überarbeitetes Konzept vor: Die fixen Kosten sollten mit einer gestaffelten Pauschale gedeckt werden; über den Aufschlag von 3,26 Prozent wollten die Großhändler frei verfügen. Da waren sie wieder, die Funktionsrabatte der Apotheken.


Im Juni wurde die Branche vom Blitz getroffen: 60 Cent plus 1,7 Prozent für den Großhandel, so stand es im Kabinettsentwurf. Die Last des Sparvolumens - 400 Millionen Euro laut BMG, 500 Millionen Euro laut ABDA - drohte Apotheker und Großhändler zu entzweien. Nachdem Phagro-Chef Trümper angekündigt hatte, dass der Großhandel die Belastungen komplett weitergeben würde, gingen die Apotheker mit einer Kampagne in die Offensive.


Ende September lud Staatssekretär Stefan Kapferer Apotheker und Großhändler zu einem gemeinsamen Gespräch ins Ministerium - ohne Erfolg: Bei der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss war die Stimmung noch immer eisig. „Zunächst möchte ich klarstellen, dass es kein gemeinsames Konzept Phagro/ABDA gibt - schon allein, weil der Phagro ja öffentlich bekannt gegeben hat, die gesamte Einsparung quantitativ an die Apotheker weiterzugeben“, so Wolf im Ausschuss. „Die vorgesehenen Änderungen werden also massive und unangemesse Belastungen für die Apotheker zur Folge haben.“


 


Beim Apothekertag in München präsentierte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, dann einen Kompromissvorschlag: Je 200 Millionen Euro sollten bei Großhandel und Apotheken separat eingetrieben werden. Für den Großhandel hieß das: 70 Cent plus 3,4 Prozent. Nach Verhandlungen standen Ende Oktober auch die Eckdaten für die Apotheken fest: Der Kassenabschlag sollte für 2011 und 2012 auf 2 Euro festgeschrieben werden und für 2009 und 2010 auf 1,75 Euro. Denn hier streiten Apotheker und Kassen immer noch.


Doch in einer Nachtsitzung warfen die Koalitionäre noch einmal alles über Bord: 5 Cent mehr beim Kassenabschlag und keine rückwirkende Festschreibung, 0,25 Prozent weniger bei der Großhandelsmarge und eine Verschiebung um ein Jahr. Ernüchterung bei den Betroffenen: „Wir wundern uns sehr, dass die Politik sich offensichtlich irgendeinem Druck gebeugt hat, uns abzustrafen und ein Exempel zu statuieren“, so Wolf. „Dafür kann ich überhaupt keinen Grund erkennen, und das möge man uns einmal erklären.“


„Es muss auf jeden Fall nachgebessert werden“, ergänzt Trümper. „Das wissen auch die Politiker, das haben sie auch mittlerweile eingesehen. Nur kommt man einfach nicht in vernünftige Gespräche, so dass man sich an einen Tisch setzt und sagt: Was ist das Problem? Wie können wir es lösen?“


Für die Apotheken könnte es teuer werden. Denn der Großhandel hat von Anfang an klar gemacht, dass bei ihm rein gar nichts zu holen ist. „Der Großhandel hat von Anfang an gesagt, dass er mit einem Gesamtgewinn 2009 von 172 Millionen Euro, was einer Umsatzrendite von 0,72 Prozent entspricht, grundsätzlich überhaupt nichts einsparen kann“, so Trümper. „Das war keine Aggressivität, sondern eine ganz normale Schilderung des Sachverhaltes, dass wir jedes Einsparvolumen auf der Großhandelsseite weitergeben müssen. Das ist den Politikern bewusst gewesen, und das ist auch den Apothekern, unseren Kunden, bewusst - so bitter das ist.“


Trümper weiter: „Das betrifft auch den Großhandelsabschlag. Wir können bei dieser Umsatzrendite und dem, was wir als Händler finanzieren müssen, eine weitere Einbuße unseres Gewinnes schlichtweg nicht verkraften.“ Dazu Wolf: „Jeder soll sein Päckchen selber tragen. Wir werden, wenn der Großhandel das versuchen sollte, sehr laut werden müssen.“


Am Donnerstag soll der Bundestag das Gesetz verabschieden. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Nach dem politischen Gerangel wird sich ab Januar zeigen, wie stark das AMNOG Apotheker und Großhändler tatsächlich belasten wird.