Kritik an AOK-Vorschlägen

Rochell: pDL angemessen vergüten

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Berlin -

Vergangene Woche hat die AOK ihr Positionspapier zu den Bundestagswahlen vorgestellt. Auch bei den Apotheken sehen die Krankenkassen dringenden Handlungsbedarf und fordern eine Flexibilisierung der zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Anforderungen an die Betriebe. „Richtige Diagnose, aber die falsche Therapie“, urteilt Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).

Wie die AOK sieht auch Rochell dringenden Reformbedarf im Gesundheitswesen. „Gerade die Arzneimittelversorgung und die Stabilisierung des flächendeckenden Apothekennetzes müssen zum Sofortprogramm einer neuen Regierung für die ersten 100 Tage nach der Wahl gehören“, erklärt Rochell angesichts des dramatischen Apothekensterbens.

Prävention stärken

Auch bei der Forderung nach Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung, beispielsweise durch eine stärkere Fokussierung auf Prävention, stimmt Rochell der AOK zu. „Indem das Potenzial der Apotheken für die Primärversorgung und Prävention besser ausgeschöpft wird, lassen sich Folgekosten verhindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern“, so Rochell. Insbesondere durch eine verbesserte Begleitung der Arzneimitteltherapie könnten unnötige und teure Krankenhausaufenthalte vermieden werden, die auf Medikationsfehler zurückzuführen sind.

Große Bedeutung komme in diesem Zusammenhang auch der elektronischen Patientenakte (ePA) zu. Die Apotheke, mit ihrem Team aus Expertinnen und Experten für Arzneimittel – einschließlich nicht-verschreibungspflichtiger Medikamente –, sei ohne Zweifel prädestiniert, durch Leistungen rund um die Patientenakte entscheidende Verbesserungen für das Wohl der Patientinnen und Patienten zu erzielen.

Auch das Wegwerfen von Arzneimitteln ließe sich reduzieren, wenn die Möglichkeiten der Apotheken erweitert würden. „Schätzungen zufolge werden bis zu 50 Prozent aller produzierten Arzneimittel entsorgt“, sagt Rochell. „Das muss nicht sein und ist gerade in Zeiten von Lieferengpässen und Klimawandel schlicht ein Unding.“ Durch Leistungen, wie das patientenindividuelle Verblistern von Arzneimitteln, ließe sich dem nicht nur entgegenwirken, sondern Apotheken könnten auf diese Weise auch Pflegekräfte und Angehörige entlasten und ermöglichen, dass Patient:innen länger selbstständig zu Hause leben.

Statt aber solche Chancen zu ergreifen, die die Apotheken bieten, habe die AOK in ihrem Papier keine anderen Ideen, als „die zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Anforderungen an Apotheken“ zu flexibilisieren. „Das ist Orwell‘scher Neusprech, mit Hilfe dessen der AOK-Bundesverband fordert, das Leistungsangebot einzuschränken und die Apotheken zu reinen Abgabestellen zu degradieren“, so Rochell. Damit werde die Versorgung jedoch weder wirtschaftlicher noch besser, sondern im Gegenteil sogar teurer und ungerechter.

Mehr Geld für pDL

„Der Idee von mehr Prävention und Wirtschaftlichkeit widerspricht auch, dass die gesetzlichen Krankenkassen sich nach wie vor gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) der Apotheken sträuben und sich gegen einen weiteren Ausbau stellen“, so Rochell. Dabei könnten gerade Blutdruckchecks, Inhalationsschulungen, Medikationsberatungen und weitere Vorsorgeleistungen teure Folgebehandlungen verhindern, erklärt er weiter.

Den Topf, aus dem die pDL bezahlt werden, wolle der AOK-Bundesverband nun sogar abschmelzen. „Sinnvoller wäre es, diese Dienstleistungen künftig auskömmlich zu bezahlen, sodass sie für die Apotheken wirtschaftlich darstellbar sind. Dann können auch mehr Apotheken Dienstleistungen anbieten.“

Scharf kritisiert Rochell, dass die Kassen die Marge kürzen wollen, die die Apotheken erhalten, wenn sie ein hochpreisiges Arzneimittel abgegeben. „Die Apotheken müssen Arzneimittel teils im Wert von fünfstelligen Beträgen vorfinanzieren und bekommen die Kosten von den Kassen mitunter Wochen später zurückerstattet. Falls sie überhaupt ihr Geld bekommen, denn immer wieder kürzen die Kassen bei kleinen Formfehlern die Rechnungen auf null“, so Rochell.

Sollte die ohnehin geringe Marge von drei Prozent, wie im Apothekenreformgesetz (ApoRG) angedacht war, weiter gekürzt werden, wäre die Abgabe von hochpreisigen Arzneimitteln komplett unwirtschaftlich. „Ohnedies sind die Apotheken unterfinanziert, weil die staatlich geregelte Vergütung seit 20 Jahren de facto nicht mehr erhöht worden ist“, sagt Rochell.

Bürokratieabbau

„Wenn der AOK-Bundesverband wirklich etwas verändern oder verbessern will, darf er im Übrigen nicht nur anderen gute Ratschläge geben, sondern muss auch vor der eigenen Tür kehren“, fordert er. So klage die AOK in ihrem Positionspapier über „bürokratische Konstrukte“ – und bürde doch selbst Leistungserbringern wie den Apotheken unnötige Bürokratie auf. Sie fordere eine Stärkung der Selbstverwaltung – und habe doch selbst maßgeblich zu verantworten, dass die Politik immer häufiger eingreife: „Aufgrund der strukturell ungleichen Verhandlungsstärke sind echte Problemlösungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen kaum mehr möglich. Dabei agieren die Kassen häufig nicht im Sinne einer guten Patientenversorgung, sondern allein in ihrem Eigeninteresse.“

Die Selbstverwaltung müsse reformiert und gestärkt werden, und zwar indem der Gesetzgeber eine – effiziente – Aufsicht über Zweck- und Rechtmäßigkeit der Tätigkeit der Krankenkassen schaffe. Lediglich 1,9 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen entfielen auf die Apotheken, so Rochell. „Gerade einmal halb so viel wie die Kassen für ihre eigene Verwaltung ausgeben.“

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