Was für ein Auftritt: Erst leugnet Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im ARD-Morgenmagazin das Bestehen von Lieferengpässen und wirft den Apotheken vor, die Patientinnen und Patienten im Honorarkampf zu verunsichern. Dann kündigt er weitere Maßnahmen an, mit denen ebenjene Apotheken weitere Defekte abfedern sollen. Jetzt kommen die Repliken.
„Jeden Tag kämpfen die Apothekenteams für die lückenlose Versorgung ihrer kleinsten Patientinnen und Patienten“, so Dr. Hans-Peter Hubmann als Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV). „Natürlich ist unser Einsatz für eine seit Jahren nötige Anpassung der Vergütung auch mit der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten verbunden. Denn: Seit Jahren befindet sich die Apothekenzahl im Sinkflug. Die Bundesregierung ignoriert dies und die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken und nimmt so in Kauf, dass die Menschen in diesem Land schlechter versorgt werden, weil ihre wohnortnahe Apotheke möglicherweise wegbricht.“
Lauterbach sollte laut Hubmann nicht nur immer wieder die Symptome eines kaputten Systems behandeln. „Vielmehr erwartet die Gesellschaft von ihm, dass er in eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Arzneimittelversorgung investiert und diese stabilisiert. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Apothekenhonorar wurde seit knapp elf Jahren nicht angepasst, de facto sind die Apotheken sogar schon seit zwei Jahrzehnten von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung abgekoppelt.“
Von einer „maßlosen Unterstellung“ spricht Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL). „Wir Apothekerinnen und Apotheker haben gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den vergangenen Monaten alles unternommen, um die Patienten versorgen zu können. Wir haben dabei mitnichten Panik geschürt, sondern immer wieder öffentlich beruhigt, dass wir vor Ort im Austausch mit den Ärzten Lösungen finden“, so Rochell.
Es sei aber auch die Pflicht der Apothekerinnen und Apotheker, davor zu warnen, dass man wieder in eine Mangellage laufe. „Dies nicht zu tun, wäre im Gegenteil fahrlässig. Die Lieferengpässe sind Realität. Sie werden nicht von den Apotheken herbeigeredet.“
Aktuell stellten die Apotheken Engpässe bei Antibiotikasäften fest, ebenso bei Fiebersäften, bei Cholesterinsenkern, Insulinen und vielen Mitteln mehr. Noch immer sei jedes zweite Rezept von einem Engpass betroffen. „Hier liegt die wahre Ursache dafür, dass Eltern sich Sorgen machen. Und das im Juni verabschiedete Gesetz hat dafür keine nachhaltige Lösung gebracht“, so Rochell.
Immerhin bessere der Minister nun nach und wolle den Apotheken mehr Handlungsfreiheiten geben, um die Engpässe zu managen. Die Apotheken vor Ort hätten aber keinen Einfluss darauf, dass zu wenige Fertigarzneimittel produziert sowie nach Europa und Deutschland geliefert würden. „Während also die Probleme nicht weniger geworden sind, schwinden die Apotheken. Bundesweit wird es zum Jahresende rund 500 Apotheken weniger geben als zwölf Monate zuvor. 500 Apotheken weniger, die im Falle eines Lieferengpasses eine Lösung für Patienten finden können, indem sie zum Beispiel selbst Säfte herstellen. Der Grund ist, dass die Honorierung der Apotheken nicht mehr auskömmlich ist. Wenn der Minister mit seiner Behauptung Recht hätte, dass in den Apotheken gut verdient würde, warum müssen dann so viele Apotheken schließen?“
Tatsächlich sei jeder zehnte Betrieb bereits defizitär, ein Drittel wirtschaftlich gefährdet. „Es ist unsere Verantwortung, auch darauf hinzuweisen und davor zu warnen, dass die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung in Gefahr ist“, so Rochell. „Die Pflicht des Ministers ist es wiederum, die Daseinsvorsorge für die Menschen sicherzustellen. Wenn dies nicht gelingt, wird er sich dafür verantworten müssen.“
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