Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) sieht durch die Pläne der Bundesregierung, den Apothekenabschlag zu erhöhen, die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährdet. Es würde sich um eine reale Kürzung der Vergütung handeln – während die Packungspauschale seit Jahren nicht mehr angehoben wurde.
„Wenn dies tatsächlich so umgesetzt wird, wäre dies eine weitere reale Kürzung der Vergütung und damit ein Schlag ins Gesicht der Apothekenteams: Sie waren in der Corona-Krise stets zur Stelle, um ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten und die Entscheidungen der Politik äußerst flexibel umzusetzen – und das in gesundheitlich exponierter Situation mit dem erhöhten Risiko, selbst zu erkranken“, so AVWL-Chef Thomas Rochell.
Um das Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherungen auszugleichen, wolle das Bundesgesundheitsministerium (BMG) offenbar auch bei den Apotheken vor Ort Geld holen. „Die Packungspauschale von 8,35 Euro ist seit etlichen Jahren nicht mehr angepasst worden“, erinnert Rochell. Bei steigenden Kosten und hoher Inflation sei die Vergütung der Apotheken in den vergangenen Jahren dadurch stetig gesunken. „Deshalb ist es dringend an der Zeit, diese gesetzliche Vergütungspauschale anzuheben. Stattdessen sollen die Apotheken vor Ort nun aber noch zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Niemand darf erwarten, dass wir das hinnehmen werden.“
Rochell rechnet vor, dass die Apotheken ohnehin der falsche Adressat seien. Ihr Kostenanteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen mache gerade einmal 2,1 Prozent aus – und sei im Laufe der Jahre sogar gesunken. „Die Apotheken vor Ort sind gewiss keine Preistreiber im Gesundheitswesen“, so Rochell. Meldungen von Rekordumsätzen im Corona-Jahr 2021 ließen außerdem keine Rückschlüsse auf die Erträge der Apotheken zu, außerdem handele es sich allenfalls um einen pandemiebedingten Sondereffekt, nicht um eine nachhaltige Entwicklung. Außerdem stünden diesem Sondereffekt ja auch zusätzliche Leistungen der Apotheken gegenüber. Dass diese dann auch vergütet werden müssen, könne nicht in Frage gestellt werden.
Hinzu käme eine Zusatzbelastung durch eine geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel vor von 19 auf 7 Prozent. „Diese Maßnahme würde die Apotheken vor Ort zusätzlich treffen“, so der AVWL-Vorstandsvorsitzende. Denn der Kassenabschlag in Höhe von 1,77 ist ein Bruttobetrag – von dem bislang 19 Prozent Mehrwertsteuer abgezogen werden. Nach einer Senkung wären es nur noch 7 Prozent. Unter dem Strich also stiege der Netto-Abschlag, den die Apotheken den Kassen gewähren müssten. Ein höherer Kassenabschlag in Kombination mit einer niedrigeren Mehrwertsteuer für die Apotheke pro Packung 38 Cent weniger bedeuten. Das klinge zwar nicht viel, würde aber das Gesamthonorar der Apotheken bundesweit um 230 Millionen Euro pro Jahr verringern.
Gleichzeitig hätten sich die Tarifparteien gerade erst auf eine stattliche Lohnerhöhung von 200 bis 225 Euro monatlich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken vor Ort verständigt – eben um deren enorme Leistungen auch in der Pandemie zu würdigen. „Denn all die Extra-Aufgaben, die in der Pandemie zu erfüllen und uns von der Politik übertragen worden sind, wären ohne das große Engagement der Mitarbeiter nicht zu stemmen. Auch insoweit muss die Politik daher nun für eine angemessene Vergütung der Apotheken Sorge tragen“, so Rochell.
Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig das flächendeckende, patientennahe Netz der Apotheken vor Ort ist. „Um dieses zu bewahren und weitere Apothekenschließungen zu verhindern, benötigen die Apotheken vor Ort verlässliche Rahmenbedingungen – und das schließt weitere Honorarkürzungen definitiv aus“, so Rochell. Der AVWL-Vorstand werde nun auf die Politik in Bund und Land zugehen, um die Tragweite einer solchen Entscheidung deutlich zu machen und mit allem Nachdruck auf eine Korrektur des Gesetzesvorhabens zu dringen.
APOTHEKE ADHOC Debatte