Risikostrukturausgleich

AOK gegen den Rest der Kassen-Welt APOTHEKE ADHOC, 21.10.2016 17:28 Uhr

Berlin - 

Im Lager der Krankenkassen verschärft sich der Streit um den Risikostrukturausgleich (RSA). Die AOKen kämpfen gegen den Rest der Kassenwelt. Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen machen gemeinsam Front gegen Vorschläge zur Neuordnung des Finanzausgleichs. Sie werfen der AOK-Familie unsolidarisches Verhalten vor.

Die Gemüter erregt ein Vorschlag des AOK-Bundesverbandes zur Neuordnung des RSA. Jeder Änderungsvorschlag müsse sich daran messen lassen, ob er die Zielgenauigkeit auf Versichertenebene erhöhe, die Risikoselektionsanreize zulasten bestimmter Versichertengruppen weiter abbaue und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeitsanreize stärke, so die AOK.

Kürzlich hatte der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, Schummeleien der Kassen angeprangert. „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.

Jetzt fordert das AOK-Lager als „Ad-hoc-Maßnahme“ die Einführung von verbindlichen, bundeseinheitlichen Kodierrichtlinien für die ambulante Versorgung. Damit gingen die von Baas angeprangerten Möglichkeiten verloren. Derzeit profitieren die AOKen am stärksten von der derzeitigen Struktur des RSA. Mit Blick auf die aktuellen Manipulationsvorwürfe sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes: „Diese Ergänzung der Datengrundlagen ist seit Langem überfällig und zwingend notwendig. Wir brauchen eine verlässliche Basis für die faire Verteilung der Mittel.“ Die qualitätsgesicherte Einhaltung dieser Richtlinien müsse gesetzlich sichergestellt und Verstöße müssten sanktioniert werden.

Als weitere Sofortmaßnahme schlägt die AOK vor, die bestehende Begrenzung der im RSA berücksichtigten Krankheiten aufzuheben. Im Positionspapier heißt es dazu: „Durch die heute bestehende Auswahl von nur 80 Krankheiten ist die Zielgenauigkeit des Morbi-RSA unnötigerweise beschränkt.

Werden alle Krankheiten berücksichtigt, entfällt auch der analytische und administrative Aufwand, der mit einer regelmäßigen Überprüfung der Auswahl von 80 Krankheiten verbunden ist. Zugleich ist davon auszugehen, dass durch den Wegfall der Begrenzung auf 80 Krankheiten auch die Unterscheidung in vermeintlich lukrative und nicht lukrative Diagnosen entfällt.“

Mit Blick auf die RSA-Kritik anderer Einzelkassen oder Kassenverbände stellt Litsch fest: „Den Kritikern ist gemein, dass sie allein auf die Optimierung der Zuweisungen für die eigene Kasse oder Kassenart schielen. Dafür nehmen sie in Kauf, nicht nur die Zielgenauigkeit des RSA zurückzudrehen, sondern auch den RSA als Ganzes zu diskreditieren. Das ist nicht nur ordnungspolitisch unzulänglich, sondern schadet auch dem Vertrauen in die Grundfesten der gesetzlichen Krankenversicherung. Daher sollten wir schnell wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückkehren.“

Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen weisen Litschs Aussagen als „Unterstellungen“ zurück. Die Positionierung der AOK werde als objektiv und sachlich hingestellt, während alle anderen Stimmen als interessengeleitet und solidargefährdend abqualifiziert würden, schimpfen die Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen. Die AOK fordere einen konstruktiven Dialog, tue aber das Gegenteil. Sie setze vor allem auf den Faktor Zeit, um bestehende Überdeckungen aus dem Gesundheitsfonds möglichst lange als Wettbewerbsvorteil zu konservieren.

Aber auch inhaltlich seien die Vorschläge der AOK nicht geeignet, die aktuellen Mängel des Risikostrukturausgleichs zu beheben. Die Berücksichtigung aller Krankheiten im RSA verschärfe hingegen die offenkundigen Manipulationspotentiale weiter. Bundesweite Kodierrichtlinien seien zwar eine notwendige Ergänzung des Regelungskatalogs, lösten aber die Probleme im RSA nicht.

Die jetzt vorgelegte Positionierung der AOK erfolge frei nach dem Prinzip: „Haltet den Dieb!“ Mit der „rücksichtslosen Abqualifizierung aller Wettbewerber“ lege die AOK „die Axt an die Solidarität in der GKV“.