Zum Ende des Quartals wurden die Ärzte in der Vergangenheit zurückhaltender, was die Verschreibung von teuren Arzneimitteln anging. Das könnte sich nun ändern: Seit Jahresbeginn gehören die bisherigen Richtgrößen in der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Vergangenheit an. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) stellte nun die neue Systematik vor.
Künftig sollen die Ärzte zu Beginn eines Jahres einen sogenannten praxisindividuellen Richtwert erhalten, der die Morbidität der jeweiligen Patienten berücksichtigt. „Je höher der Verordnungsbedarf ist, der sich aus den Erkrankungen der Patienten ergibt, desto höher sind die finanziellen Mittel, die dieser Praxis zur Verfügung stehen“, erklärte KVBW-Vorstandsvorsitzender Norbert Metke die neue Systematik.
Aus Sicht der Ärzte hat die bisherige Richtgrößenprüfung die Vielfalt der Versorgung nicht mehr widergespiegelt. Vor allem aber schaffe man nun mehr Rechtssicherheit für die Ärzte. So will die KVBW jedem Arzt mehrfach innerhalb eines Jahres mitteilen, ob er sich im Rahmen seines Richtwertvolumens befindet. Für das Jahr 2017 soll einmalig ein garantiertes praxisindividuelles Richtwertvolumen gelten, welches dem Arzt auch bei geringerer Morbidität seiner Praxis in jedem Fall zur Verfügung steht.
Die KV und die Krankenkassen wollen mit der Neustrukturierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung den Ärzten durch die bessere Transparenz ein effektiveres Steuerungsinstrument zur Verfügung stellen. Mit der neuen Systematik könnten die Ärzte wirtschaftlich therapieren und dadurch mögliche Nachforderungen verhindern.
20 Jahre lang hat die Ärzteschaft gefordert, die Richtgrößenprüfung abzuschaffen. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) wurde Ärzten und Krankenkassen die Möglichkeit eröffnet, die bundeseinheitlichen Vorgaben für Richtgrößenprüfungen bei Arznei- und Heilmittelverordnungen durch regionale Lösungen zu ersetzen. KV und Krankenkassen mussten sich auf neue Regelungen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen in den Regionen verständigen. Diese sollen dann für sämtliche Leistungen, die ab dem 1. Januar 2017 verordnet werden, gelten. „Die bisherige Lösung hat bei unseren Mitgliedern Regressangst ausgelöst und sich darüber hinaus zu einem erheblichen Hemmschuh für die Niederlassung entwickelt“, sagte Metke.
Für den Vorstandsvorsitzenden der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, ist die Umstellung ein gutes Zeichen für die Versorgung im Land: „Wir haben feststellen müssen, dass die Richtgrößensystematik zu Problemen in den Praxen und damit zu Diskussionen mit den Patientinnen und Patienten geführt hat.“ Zwar müsse man als Kasse Wert auf eine wirtschaftliche Verordnung Wert legen, gleichwohl sei man bereit, die Vorschläge der Ärzteschaft aufzunehmen, wie das System verändert und gerechter gestaltet werden kann. „Die jetzt vereinbarte Systematik trägt dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung und sie verbessert gleichzeitig die Qualität der Versorgung“, so Hermann.
Im November vergangenen Jahres konnte sich bereits die KV Niedersachsen mit den Krankenkassen auf eine neue Systematik der Wirtschaftlichkeitsprüfung einigen. Entscheidende Bezugsgröße soll dabei künftig der Durchschnittswert der eigenen Fachgruppe sein. Nur wer mit seinen persönlichen Verordnungen um mehr als 50 Prozent über seinem Fachgruppendurchschnitt liegt, kommt in die Prüfung.
APOTHEKE ADHOC Debatte