Bundessozialgericht

Richter bestätigen Mischpreise

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Berlin -

Die Arzneimittelhersteller können aufatmen: Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat die umstrittene Mischpreiskalkulation für neue Arzneimittel für rechtens erklärt. Damit widerspricht das BSG dem Landessozialgericht (LSG) Berlin Brandenburg, dass vor einem Jahr die Mischpreiskalkulation für unzulässig erklärt hatte. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Aber nach vorläufigen Informationen räumen die obersten Sozialrichter der Schiedsstelle bei der Preisfestsetzung im AMNOG-Verfahren einen größeren Spielraum ein.

Das LSG Berlin Brandenburg hatte für das Antidiabetikum Albiglutid von GlaxoSmithKline (GSK) die Bildung eines Erstattungspreise auf der Basis der bis dahin üblichen Mischkalkulation verboten. Dies sei rechtswidrig, so die Richter: „Mischpreisbildung ist rechtswidrig, wenn der G-BA bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer anderen oder mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint hat; ein Mischpreis führt in dieser Konstellation zu nicht nutzenadäquaten Preisverzerrrungen“, hieß es im jetzt aufgehobenen Urteil. Damit fürchtete die Pharmabranche erhebliche Konsequenzen für die Preisbildung und die Arzneimittelversorgung in Deutschland.

Der GKV-Spitzenverband hatte gegen die Festsetzung des Erstattungspreises durch die Schiedsstelle geklagt. Der Schiedsspruch sei „materiell rechtswidrig“, weil die Bildung eines Mischpreises gegen die „zwingend zu beachtenden Vorgaben zur Höhe des Erstattungspreise“ verstoße. Sei kein Zusatznutzen belegt, dürfe der Erstattungspreis nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Aus dem Vorhandensein eines Erstattungsbetrages dürfe nicht automatisch auf die Wirtschaftlichkeit einer jeden Verordnung des betroffenen Arzneimittels in all seinen Anwendungsbereichen geschlossen werden.

Auf Kritik stieß bei den Richtern die Praxis, bei Mischpreisbildung Abgabepreise in anderen Ländern zu berücksichtigen und die „Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel mit einem Gewicht von insgesamt 50 Prozent in die Preisbildung einfließen zu lassen“, so das LSG. Hätte das BSG sich dieser Sicht angeschlossen, hätte dies weitreichende Konsequenzen für die Praxis der AMNOG-Preisbildung gehabt. Beim Pharmaverband vfa befürchtete man, dass damit nicht nur der Grundpfeiler der AMNOG-Preisfindung ins Wanken gerät, sondern die Patienten in Deutschland von Innovationen abgeschnitten werden: „Die flexible Idee des AMNOG, einen im Einzelfall angemessenen Preis zu finden, würde durch einem starren Algorithmus ersetzt. Mit der Konsequenz, dass noch mehr Arzneimittel den Patienten in Deutschland nicht mehr zur Verfügung stünden.“

Die Bildung von Mischpreisen war bis zum Urteil des LSG die Regel. Die sogenannte Mischkalkulation kommt bei neuen Arzneimitteln immer dann zum Einsatz, wenn der Zusatznutzen nur für einen Teilbereich der Patienten nachgewiesen wird, das Arzneimittel aber auch für andere Patienten eingesetzt werden kann. In diesen Fällen wird ein Preis festgesetzt, der sich nicht ausschließlich am Preis für die zweckmäßige Vergleichstherapie (ZVT) für die Patientengruppe ohne Zusatznutzen orientiert. Der Preis übersteigt das Vergleichslevel um ein Vielfaches. Damit bleibt es für die Hersteller wirtschaftlich interessant, neue Arzneimittel in Deutschland anzubieten, auch wenn der Zusatznutzen nur für kleine Patientengruppen belegt ist.

Im zur Verhandlung vor dem BSG anstehenden Fall ging es um Albiglutid, dass seit März 2014 für Erwachsene als Monotherapie zugelassen, die an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind und bei denen Ernährungsumstellung und Bewegung den Blutzuckerspiegel nicht ausreichend senken. Als Add-on ist es in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Arzneimitteln einschließlich Insulin zugelassen. Albiglutid wird mit einem Einweg-Injektionspen einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt. Die Behandlungsmöglichkeit steht den Betroffenen aber ab Juli 2018 nicht mehr zur Verfügung. Der Hersteller GSK hat die Vermarktung eingestellt. Die Entscheidung ist laut GSK nicht auf etwaige Sicherheitsbedenken zurückzuführen.

Vielmehr konnte das Arzneimittel, trotz aller Bemühungen weltweit nicht durchsetzen. In Deutschland wurde Eperzan nicht aktiv vermarktet, daher waren die Verordnungen begrenzt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) hat dem Diabetesmedikament Anfang 2015 einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen bescheinigt – allerdings nur in der Kombination mit Metformin.

vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer kommentierte das Urteil so: „Ein funktionierendes System gibt man nicht so einfach auf. Im Ergebnis bestätigt auch das Bundesozialgericht diese jahrelange Praxis, dass für ein verschreibungspflichtiges Medikament auch ein einheitlicher Erstattungsbetrag der Krankenkassen gelten soll: Für ein Arzneimittel gilt also auch weiterhin ein Preis."

Auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller äußerte sich positiv zum BSG-Urteil: „Die Entscheidung, dass die Mischpreisbildung rechtmäßig ist, ist eine gute Nachricht für Patienten und Ärzte“, sagte Dr. Hermann Kortland, stellvertretender BAH-Hauptgeschäftsführer. „Die seit Jahren praktizierte Mischpreisbildung sichert Patienten den Zugang zu Arzneimittelinnovationen und stärkt Ärzte in ihrer therapeutischen Freiheit“, ergänzte Kortland.

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