Briefkasten von der Versandapotheke Lothar Klein, 07.07.2017 10:21 Uhr
Holger Neubert ist mit seiner Bodfeld-Apotheke nicht nur in der Gemeinde Elbingerode präsent. Parallel dazu betreibt der Apotheker eine Versandapotheke gleichen Namens. Damit ist er bundesweit präsent. Doch das war ihm nicht genug. In der Nachbargemeinde Schierke hängte Neubert vor einigen Jahren einen Briefkasten vor eine Arztpraxis – nicht als offizielle Rezeptsammelstelle, sondern als „normalen“ Briefkasten. Gestört hat das niemanden.
Die weiße Box hat Neubert wieder abgehängt – aber nicht, weil die Apothekenaufsicht das verlangt hätte. Sondern weil der Arzt seine Praxis aufgegeben hat. „Das hat sich wirtschaftlich nicht mehr gerechnet“, sagt Neubert. Nach der Schließung der Praxis gab es zu wenige Rezepte. Die Fahrten zum „Briefkasten“ hätten zu viel Geld verbrannt.
Der Briefkasten diente Neubert nebenher auch als Werbefläche für seine Versandapotheke. Aufgedruckt war in großen Lettern www.bodfeld-apoptheke.de, samt Adresse seiner Vor-Ort-Apotheke, Telefonnummer und den Abholzeiten. Auch der Werbespruch: „10 % sparen und kostenloser Lieferservice“ fand auf dem Briefkasten noch seinen gut sichtbaren Platz.
Als Rezeptsammelstelle angemeldet hatte Neubert die Box nicht. Die damit verbundene Bürokratie hält der Apotheker im Zeitalter des Versandhandels für unnötig. „Jeder sollte seinen Briefkasten aufhängen können, wo er es für richtig hält“, findet Neubert.
Im bayerischen Schauenstein gibt es einen ähnlichen Fall: Nach der Schließung der Schloss-Apotheke hatte Apotheker Tim Pittroff Anfang März gegenüber einer Arztpraxis ein grünes Schild mit einem Briefkasten angebracht. Der Inhaber der Pittroff-Apotheke im nahe gelegenen Helmbrechts hatte keine Rezeptsammelstelle angemeldet.
Die Kammer bestätigte, dass der Briefkasten nicht als Rezeptsammelstelle genehmigt wurde. Später wurde das Modell umgewandelt: Die Medikamente sollten im Rahmen des Versandhandels ausgeliefert werden. Der Briefkasten wäre dann keine genehmigungspflichtige Rezeptsammelstelle, sondern eine Pick-up-Stelle.
Pittroff lässt offenbar seinen Botendienst die Arzneimittel ausfahren. Berufsrechtlich scheint er damit trotzdem nicht anzuecken. Die Kammer sah nur das Vorhandensein einer Versanderlaubnis und die korrekte Kennzeichnung als notwendige Voraussetzung. Dass die Lieferung unzulässig sein soll, wenn sie von einem höher qualifizierten Boten vorgenommen wird, erschien den Juristen nicht logisch. Allerdings wies man Apotheker darauf hin, dass sowohl die Aufsichtsbehörden das anders sehen könnten als auch Kollegen, die wettbewerbsrechtlich dagegen vorgehen könnten.
So hat etwa das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im vergangenen Jahr ein Pick-up-Modell in einem Edeka-Markt verboten. Für die Richter ist der „tatsächlich praktizierte Vertriebsweg des Versandhandels“ entscheidend für die Einordnung, nicht die Versanderlaubnis der Apotheke. Typisch für den Versand sei, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegneten und der Kundenkreis nicht örtlich abgegrenzt sei. „Das persönliche Einsammeln von Rezepten durch den Apotheker beziehungsweise sein Personal ist dagegen untypisch“, heißt es in der Urteilsbegründung.
In der Rechtsprechung ist aus Sicht der BLAK nicht abschließend geklärt, ob die Beteiligung eines externen Logistikers eine notwendige Voraussetzung für Pick-up ist. Von den Oberverwaltungsgerichten gebe es hierzu unterschiedliche Ansichten, am Ende werde wohl das Bundesverwaltungsgericht entscheiden müssen. Das könnte für die Leipziger Richter sogar eine Chance sein, ihre frühere Entscheidung zu Pick-up-Stellen im Lichte der neuen Entwicklung zu überdenken.
Denn „Einzelfälle“ wie den in Schauenstein gibt es viele in der Republik. Grundsätzlich ist allen Beteiligten zu glauben, dass es in erster Linie um die Versorgung der Bevölkerung geht. Doch mit diesem Argument könnten viele Apotheker eine externe Rezeptsammlung rechtfertigen. Und wenn Pick-up mit Botendienst zulässig ist, dürfte das die Wettbewerbsverhältnisse vielerorts beeinflussen. Daher werden nicht nur die Kollegen vor Ort aufmerksam verfolgen, wie die Pick-up-Stelle in Schauenstein betrieben wird.