Hüffenhardt

Rezeptsammelstelle gegen DocMorris-Automat Lothar Klein, 07.04.2016 12:09 Uhr

Berlin - 

Lange Zeit haben Apotheker die Ortschaft Hüffenhardt in Baden-Württemberg links liegen gelassen. Die ehemalige Apotheke ist verwaist. Ein Nachfolger fand sich nicht. Daher plant DocMorris, im Sommer in der leerstehenden Offizin einen Arzneimittelautomaten aufzustellen. Das sorgte für Aufsehen und jetzt für eine Gegenreaktion: In Kürze wird es eine Rezeptsammelstelle in der 2000-Seelen-Gemeinde geben.

Nach Angaben der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) gab es seit Bekanntwerden der DocMorris-Pläne plötzlich mehrere Anträge auf Genehmigung einer Rezeptsammelstelle in Hüffenhardt. Nach Sichtung der Angebote soll jetzt in Kürze die Entscheidung fallen. Den Zuschlag werden zwei Apotheken aus der Umgebung erhalten, die im Wechsel die Rezeptsammelstelle betreiben wollen. Um welche beiden Apotheken es sich handeln wird, verrät die LAK noch nicht. Nur so viel: „Die Rezeptsammelstelle wird zeitnah genehmigt.“

Ob die Rezeptsammelstelle den DocMorris-Plänen in die Quere kommt, ist offen. Hüffenhardts Bürgermeister Walter Neff jedenfalls ist von der neuen Entwicklung überrascht: „Davon weiß ich noch nichts.“ In einem früheren Brief habe die Apothekerkammer lediglich allgemein auf die Möglichkeit einer Rezeptsammelstelle hingewiesen. „Ich weiß nicht, was das jetzt soll“, so Neff. Mit DocMorris liefen die Vorbereitungen zur Mietvertragsunterzeichnung unverändert weiter.

Kritische Post erhalten hat Bürgermeister Neff auch vom Landessozialministerium über den Umweg des Landeswirtschaftsministeriums. Dort hatte man sich nach der Möglichkeit der Förderung des DocMorris-Projekts in Rahmen eines Digitalisierungs-Programms der Landesregierung erkundigt. Das Sozialministerium hält dies für problematisch, weil Rezepte grundsätzlich direkt beim Apotheker eingelöst werden müssten, so Neff. Das entspreche der Argumentation der Landesapothekerkammer.

„Ich sehe der zu erwartenden Gegenwehr der Apothekerschaft gelassen entgehen“, sagt Neff Ende Februar, als die DocMorris-Pläne für Aufsehen sorgten. „Seit einem Jahr ist die Apotheke geschlossen. Niemand hat sich dafür interessiert.“ Es habe für die Nachfolge von Apotheker Reinhold Fuchs nur wenige Bewerber gegeben, so Neff. Zu einem Abschluss sei es leider nicht gekommen. Auch Landesapothekerkammer und -verband hätten sich nicht für Hüffenhardt interessiert, beklagte Neff vor wenigen Wochen.

Die Brunnen-Apotheke versorgte über 30 Jahre lang nicht nur die 2000 Einwohner Hüffenhardts und eine angrenzende Gemeinde mit nochmals 1500 Menschen. Das 135 Plätze umfassende Wohn- und Pflegeheim der Gemeinde gehörte ebenfalls zur Stammkundschaft.

DocMorris will in der bisherigen Brunnen-Apotheke im Sommer einen Arzneimittelautomaten aufstellen. Die Kunden sollen in einem schalldichten Videoterminal Kontakt zum pharmazeutischem DocMorris-Personal aufnehmen können, das von Heerlen in den Niederlanden aus Patienten berät und nach Prüfung des Rezepts die Medikamente automatisch ausgeben will. Ein Mitarbeiter vor Ort soll das System erklären. Der Automat wird laut DocMorris rund 8000 Packungsplätze sowie einen gekühlten Bereich haben. Ausgegeben werden OTC- und Rx-Präparate. Die Abläufe seien rechtlich geprüft worden, sagt ein Sprecher.

Vor der Abgabe würden die Kunden immer in einer abgeschotteten Kabine beraten. Ein sogenannter Welcome-Manager soll bei technischen Fragen vor Ort helfen. Pharmazeutische Fachkenntnis werde dafür nicht verlangt.

Auf Kritik stieß der DocMorris-Plan auch beim Apothekerverband des Landes. Dort geht man davon aus, dass es zum Rechtsstreit kommen wird. Insbesondere die Vorschrift, dass dem Apotheker das Rezept im Original vorliegen muss, lasse sich nicht umgehen. „Das wäre nicht zulässig.“ Auch die ABDA in Berlin hat „große Zweifel, dass das rechtlich zulässig ist“.

Vorbild für DocMorris könnte Visavia sein. Rowa hatte 2007 mit seinen Terminals für Furore gesorgt, die per Videokonferenz Kontakt mit einem Apotheker herstellten. Das Gerät konnte Rezepte einlesen; über einen angeschlossenen Kommissionierautomaten wurden die Medikamente ausgegeben. Die Abgabe wurde vom Apotheker überwacht und musste von diesem freigegeben werden.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) verbot die Abgabe von Rx-Medikamenten über den Automaten unter anderem wegen ungenügender Dokumentationspflichten im Jahr 2010. Ab Sommer 2012 gab es noch einmal ein Modellprojekt mit vier Apotheken in Rheinland-Pfalz. Rowa hatte die damalige Gesundheitsministerin und heutige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für das Projekt gewinnen können. Im Januar 2013 wurde das Modellprojekt dennoch gestoppt, weil die LAK keine Genehmigung für die Ausweitung der Testphase auf weitere Apotheken und außerhalb der Öffnungszeiten erteilte.

Patienten in ländlichen Regionen hatte die Versandapotheke bereits vor Jahren als Zielgruppe ausgemacht. Kurz vor der Bundestagswahl tingelte im Sommer 2013 der DocMorris-Apothekenbus mit viel PR-Getöse durch das Land. In 15 deutschen Städten wurden Station gemacht; vielerorts gab es Proteste der ansässigen Apotheker. Arzneimittel wurden in dem Werbefahrzeug nicht abgegeben. Allerdings sei es ein Ziel, später in dem Bus Medikamente zu verkaufen, hatte DocMorris-Chefapotheker Professor Dr. Christian Franken bei der Vorstellung gesagt. Später wurde das Projekt auf Eis gelegt.

Außerdem biete die Versandapotheke DocMorris in Zusammenarbeit mit der Telekom wochentags von 8 bis 20 Uhr bereits eine Liveberatung über das Internet an.