Die Kunden waren schlampig und die Software unzureichend – seine Ausreden halfen dem Apotheker am Ende nicht weiter. Das Verwaltungsgericht Köln hat den Entzug der Betriebserlaubnis bestätigt. Die Entscheidung fußt auf einem bereits erlassenen Strafbefehl, ist aber nicht rechtskräftig.
Bei einer Krankenkasse waren im Rahmen einer Routinekontrolle zunächst vier Versicherte aufgefallen, die sich dieselben Medikamente in großer Menge verordnen ließen – und zwar von mehreren Ärzten parallel, teilweise sogar am gleichen Tag. Die Rezepte über Diabetesmittel, aber auch Schmerzmittel, Antiepileptika und Psychopharmaka wurden überwiegend in der Apotheke des Apothekers eingelöst.
Nach der Einschätzung der Krankenkasse waren die verordneten Mengen, teilweise auch die Kombinationen von Arzneimitteln, medizinisch nicht erforderlich. So löste einer der Versicherten in einem Jahr 80 Rezepte im Gesamtwert von knapp 13.000 Euro in der Apotheke ein. Er war bei sieben Ärzten in Behandlung, drei davon stellten Rezepte für ein Diabetesmittel aus. Die Kasse vermutete vielfachen Betrug in den Jahren 2013 bis 2015, ab Anfang 2016 ermittelte die Staatsanwaltschaft.
Bei einer Durchsuchung der Apotheke wurden die Festplatte des Warenwirtschaftssystems beschlagnahmt und Buchhaltungsdaten des Steuerberaters sichergestellt. Nachdem auch die Abrechnungsdaten des Rechenzentrums vorlagen, konzentrierten sich die Ermittler „wegen der großen Datenmengen“ auf fünf Präparate, darunter Xelevia und Symbicort. Der Gesamtschaden wurde auf knapp 52.000 Euro ermittelt. Das sei aber aufgrund der getroffenen Auswahl nur „die Spitze des Eisbergs“, so die Ermittler.
Der Apotheker stritt zunächst alles ab. Doch als die Staatsanwaltschaft ankündigte, den Fall vor die Große Strafkammer zu bringen, räumte er ein, in einigen Fällen nicht belieferte Rezepte abgerechnet zu haben. Seine Begründung: Die Kunden hätten die Medikamente nie abgeholt, er habe aber die Fristen einhalten müssen und die Rezepte daher in die Abrechnung gegeben. Überhöhte Verordnungen wollten ihm nicht aufgefallen sein. Das Amtsgericht erließ im Oktober 2018 einen Strafbefehl: ein Jahr auf Bewährung und Wertersatz wegen des vorsätzlichen Betrugs in 37 Fällen.
Auf den rechtskräftigen Strafbefehl reagierte die Aufsichtsbehörde zwei Monate später und kündigte den Entzug der Betriebserlaubnis an. Dagegen klagte der Inhaber vor dem Verwaltungsgericht. Die Probleme seien nur durch die Unzulänglichkeiten des Kassensystems entstanden, so das Argument. Jedenfalls sei der Widerruf unverhältnismäßig: Der Schaden von circa 10.000 Euro pro Jahr sei überschaubar, auch die Staatsanwaltschaft habe nur einen Strafbefehl beantragt. Zwar wurde die aufschiebende Wirkung der Klage letztlich gewährt, im Hauptsacheverfahren unterlag der Apotheker jedoch.
Hier hatte er folgendes vorgetragen: Die Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung seien auf ein schlecht zu handhabendes Kassen- und Warenwirtschaftssystem zurückzuführen und auf ein unzuverlässiges Verhalten der zwei Kunden. Dies habe insbesondere zu einer Verwirrung geführt, wenn ein Teil der Medikamente hätte bestellt werden müssen, der Rest aber sofort ausgehändigt worden sei. Das Abrechnungssystem habe es nicht ermöglicht, ein Rezept mehrmals zu bedrucken. Deshalb habe es nur die Möglichkeit gegeben, das Rezept sofort vollständig zu taxieren, was unzulässig sei, oder erst bei Abgabe der bestellten Medikamente. Teilweise seien dann aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht belieferte Rezepte zur Abrechnung gegangen. Der Umfang dieser Bestellungen sei dem Apotheker aber erst im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aufgefallen. Zudem habe er dem Kunden Hausverbot erteilt, eine neue Software angeschafft und den Kassen den Schaden ersetzt.
Die Aufsichtsbehörde zeigte sich vor Gericht dagegen überzeugt, dass das eigentliche Problem nicht die vermeintliche Unzulänglichkeit der Apothekensoftware gewesen sei. Dass es immer um die Rezepte zweier Kunden ging, spreche eher für ein betrügerisches Zusammenwirken. Und die Vielzahl strafbarer Betrugshandlungen über einen Zeitraum von drei Jahren zeige, dass die Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei.
Das VG teilte diese Auffassung: Der Apotheker habe das für die Leitung einer Apotheke erforderliche Verantwortungsbewusstsein nicht. Denn er habe das Gesundheitswesen durch den Abrechnungsbetrug „bedenkenlos und systematisch geschädigt“. Im Strafverfahren habe er den Betrug letztlich zugestanden. Das hier abgelegte Geständnis widerspricht aus Sicht des VG auch der Version der unzureichenden Software, die Richter nennen so etwas eine „unglaubhafte Schutzbehauptung“.
Der Apotheker habe den Abbruch des Vorgangs in der Software bewusst genutzt, um gegenüber der Kasse den Eindruck zu erwecken, die Rezepte beliefert zu haben – und das mit „erkennbarer Regelmäßigkeit“. Die betroffenen Rezepte seien sogar separat gesammelt worden. „Alle diese Umstände weisen darauf hin, dass es sich um einen systematischen, auf Dauer angelegten Betrug unter Mitwirkung der Patienten gehandelt hat.“
Den Entzug der Betriebserlaubnis befanden die Richter daher für angemessen. „Die korrekte Abrechnung gegenüber den Krankenkassen gehört zu den Kernpflichten des Apothekers“, lautet ein schöner Satz aus dem Urteil. Vorsätzlicher Betrug mache einen Apotheker „unzuverlässig“. Der Schaden sei zudem nicht unerheblich, so das Gericht mit Verweis auf „die Spitze des Eisbergs“. Und dass der Apotheker den Schaden wieder ausgeglichen hat, verbesserte seine Prognose nicht. Denn das sei erst geschehen, nachdem die Aufsichtsbehörde mit Entzug der Betriebserlaubnis gedroht habe.
Der Widerruf sei zwar ein erheblicher Eingriff in die Berufsfreiheit, aber in diesem Fall nicht unverhältnismäßig. Als angestellter Apotheker könne er immerhin weiterhin arbeiten. Und auf den Einwand des Pharmazeuten zu dessen Aussichten auf Anstellung: „Er ist bei einer Bewerbung nicht dazu verpflichtet, die Gründe für die Aufgabe seiner Apotheke ungefragt zu offenbaren. Falls eine Bewerbung abgelehnt wird, weil er die Gründe auf Nachfrage wahrheitsgemäß angibt, trägt er damit letztlich die Folgen seines strafbaren Verhaltens.“ Überdies könne er nach Ablauf der Bewährungsfrist erneut eine Betriebserlaubnis beantragen.
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