Eine der brennendsten Fragen der betroffenen Apotheken ist, ob die fälligen Auszahlungen vor der Insolvenzmasse geschützt sind. Laut Rechtsanwalt und Steuerberater Marko Dohmen und Steuerberater Nelson Cremers kommt es dabei nicht auf das Abrechnungsverhältnis zwischen der Apotheke und AvP an, sondern auf die Vereinbarungen des Rechenzentrums mit seiner Bank.
In §6 der AGB heißt es: „Die AvP unterhält zum Ausgleich der Apotheken-Forderungen bei einem Geldinstitut ein für alle Kunden einheitliches Fremdgeldkonto. Die AvP verfügt über dieses Konto nur zu Gunsten ihrer Apotheken, zu Gunsten der Bank, nach Maßgabe der den Abrechnungskunden bereits gezahlten Abschlagszahlungen, zu Gunsten der Kostenträger und zu eigenen Gunsten in Höhe der ihr für ihre Tätigkeit zustehenden Vergütung.“ Im Zuge der Verschmelzung der Regionalgesellschaften war dieser Passus für alle Kunden vereinheitlicht worden.
Laut Dohmen und Cremers ist aber nicht diese Formulierung entscheidend, sondern die Vereinbarung des Rechenzentrums mit seiner Bank. „Handelt es sich um ein sogenanntes offenes Treuhandkonto, ist dieses grundsätzlich insolvenz-geschützt“, so die beiden Experten. Das bedeutet, Apotheken kommen auch im Rahmen der Insolvenz – wenn auch später – an Ihr Geld. „Ist dies nicht der Fall, werden sie mit den anderen Insolvenzgläubigern gleichbehandelt; das bedeutet, ob und wann sie Ihr Geld bekommen, ist völlig unsicher.“
Das Recht auf eine außerordentliche Kündigung steht den Kunden laut Dohmen und Cremers zu. „Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ohne Kündigung die IK-Nummer voraussichtlich nicht freigegeben wird. Dies bedeutet, dass der neue Rezeptabrechner nicht in der Lage sein wird eine Abrechnung für sie durchzuführen.“
Andererseits sei AvP nicht berechtigt, bereits eingereichte Rezepte mit den Kostenträgern abzurechnen, wenn die Apotheke die Abrechnungsbefugnis entzieht. Schadenersatzansprüche seitens AvP beträfen allenfalls der entgangene Gewinn – mithin die Abrechnungsgebühr.
Hat die Apotheke eine vorzeitige Abschlagszahlung in Anspruch genommen, ist das laut den beiden Experten einem Darlehen gleichzusetzen, das mit den eingereichten Rezepten verrechnet wird. Übersteigt die Vorauszahlung den Wert der eingereichten Rezepte, könnte der Insolvenzverwalter noch eine entsprechende Forderung gegenüber der Apotheke stellen, kündigt Cremers an.
Ob Apotheken ein weiteres Mal die Forderungen aus den Rezepten an ein anderes Rechenzentrum abtreten können, hängt laut Cremers davon ab, ob die mit der insolventen Rezeptabrechnung vereinbarte Abtretung den durch den Bundesgerichtshof (BGH) gestellten Anforderungen genügt. Ist dies nicht der Fall, wären sie frei, die Abtretung zu erklären, sollte jedoch die Abtretung den Anforderungen des BGH entsprechen, wäre dies nur für zukünftige Rezepte möglich.
Auch Dohmen und Cremers weisen darauf hin, dass mit der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens die Korrektur der Umsatzsteuer nicht möglich ist. „Dies gilt, sofern der Apothekeninhaber Sollversteuerer sind. Hier gilt es jetzt mit Ihrem Finanzamt eine individuelle Lösung zu finden.“
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