Retaxationen belasten das Verhältnis zwischen Apothekern und Krankenkassen womöglich mehr als vieles andere. ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold forderte bei der Interpharm mehr Vertrauen von den Kassen. Aus Sicht von Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, müssen Apotheker aber die Kontrollinstanz bleiben – und nicht nur auf die Pharmazie achten, sondern auch auf die formalen Vorgaben.
Arnold wünscht sich mehr Vertrauen: Die Rabatterfüllungsquoten lägen immerhin bei 90 Prozent. Die Unstimmigkeiten entstünden bei den letzten 10 Prozent – und da sollten dem Heilberufler vor Ort mehr Freiheiten gegeben werden. Schließlich sehe er den Kunden und müsse entscheiden, ob es sich um einen Akutfall handele, ob der Patient mit einem Wechsel umgehen könne oder ob ausgetauscht werden müsse. „Wir wollen dieses Vertrauen“, sagte Arnold. Das Wichtige sei, dass die Arzneimitteltherapie funktioniere.
Richard wollte sich darauf nicht einlassen. „Die Forderung der Apotheker nach relativ viel Freiheit im Umgang mit nicht korrekt ausgestellten Rezepten schlägt jetzt ins Negative“, findet sie. Wenn Apotheker die Kontrollinstanz bleiben wollten, müssten sie auch kontrollieren. Stattdessen habe sie das Gefühl, dass die Apotheker möglichst haftungsfrei handelten – mit dem Argument der Versorgung. „Ich habe das Gefühl, das passt nicht zueinander.“
Arnold stellte in der Debatte klar: „Wir sind die letzte Sicherungsinstanz, bevor der Patient das Arzneimittel bekommt. Ich möchte diese Verantwortung nicht von mir weisen – aber ich möchte auch nicht wegen der Bürokratie an den Baum gestellt werden.“ Wenn ein kranker Mensch in seine Apotheke komme, müsse er helfen. „Und dann kann ich nicht verstehen, dass das System mir sagt, ich muss erst diese oder jene bürokratische Frage lösen“, so Arnold.
Die Probleme konnte Richard nachvollziehen. Allerdings gab sie zu bedenken, dass die Vorgaben, etwa Kreuze auf T-Rezepte zu setzen oder die Telefonnummer des Arztes anzugeben, nicht von den Krankenkassen kämen, sondern gesetzlich festgelegt seien. Die Diskussion darüber, an welche Vorgaben man sich im Versorgungsalltag halten müsse und an welche nicht, hält sie für einen „schmalen Grat“.
Arnold sieht zwei Ansatzpunkte: „Die Ansätze bei den Ärzten finde ich gut – Beratung vor Regress.“ Aus seiner Sicht wäre es schon eine vertrauensbildende Maßnahme, wenn die Strafe für einen Fehler nicht vom Wert des Rezepts abhinge und man damit nicht das Gefühl hätte, dass sich die Kassen auf Kosten der Apothekerschaft sanierten. Arnold verweist auf die salvatorische Klausel in Verträgen, die besagt, dass im Geist des Vertrags gehandelt wird, wenn einzelne Bestandteile des Vertrags unwirksam sind. Der Geist eines Rezeptes sei das, was der Arzt aufgeschrieben habe. „Diesen Ermessensspielraum sollten wir wiederbekommen.“
Neben mehr Augenmaß setzt Arnold auf das elektronische Rezept: „Ein Problem wird sich lösen, wenn wir nicht mehr mit dem rosa Rezept arbeiten“, ist er überzeugt. Bestimmte Formalien könnten dann nicht mehr vergessen werden.
Dr. Uwe Hüsgen, bis 2008 Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), forderte, die Ärzte in Haftung zu nehmen. Die Arztunterschrift sei ein solcher Fall gewesen, bei dem das Verursacherprinzip gelten solle. Richard und Arnold stimmten zu, dass die Ärzte besser verschreiben müssten.
Hüsgen erinnerte sich an eine frühere Devise: erst die Arzneimittelsicherheit, dann die Versorgungssicherheit, dann die Qualität und am Ende die Wirtschaftlichkeit. „Ich habe den Eindruck, dass die Wirtschaftlichkeit an Bedeutung gewinnt“, so Hüsgen. Die Ökonomisierung ist aus Sicht von Richard nicht das eigentliche Problem. „Es gibt viele Rahmenbedingungen, die sich geändert haben, und Wirtschaftlichkeitspotenziale werden anders betrachtet als vor ein paar Jahren“, sagt sie. Es sei aber nicht so, dass man nicht mehr über die Versorgung rede.
Arnold ist überzeugt, dass es viele gemeinsame Ansatzpunkte von Apothekern und Kassen gibt, um viel Geld zu sparen. Zum Beispiel die Mehrwertsteuer für Arzneimittel: Deren Abschaffung brachte Richard in der Diskussion ins Spiel und bekam Unterstützung von Arnold. Immerhin sei dies schon auf mehreren Apothekertagen gefordert worden, erklärte der ABDA-Vize – es sei schon fast ein „Running Gag“. Auch bei der Arzneimittelberatung für eine bessere Compliance sieht Arnold Potenzial für eine Zusammenarbeit: Schließlich seien Apotheker die Experten für Arzneimittel und stünden in engem Kontakt zum Patienten. „Wir müssen einen Weg finden, wie das finanzierbar ist.“
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