Die DAK-Gesundheit hält das Instrument der Nullretaxation für gerechtfertigt. „Wer nicht in der Lage ist, eine ordentliche Rechnung zu stellen, kann nicht erwarten, ordentlich vergütet zu werden“, sagte Kassenchef Professor Dr. Herbert Rebscher am Rande der Vorstellung des DAK-AMNOG-Reports. „Das geht jedem Schlosser genauso“, findet Rebscher.
Im Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) wird der Gesetzgeber das von Apothekern geforderte Verbot von Nullretaxationen wegen Formfehlern nicht umsetzen. Die Apotheken sollen sich selbst mit den Kassen einigen. Dazu haben sie sechs Monate Zeit. Ansonsten geht die Sache ins Schiedsverfahren. Rebscher selbst ist zwar an den Verhandlungen nicht beteiligt. Solche Aussagen deuten an, dass die Apotheker noch viel Überzeugungsarbeit werden leisten müssen.
Auch für die Honorar-Forderung der Apotheker sieht Rebscher keine Grundlage: „Apotheker werden auskömmlich honoriert, unabhängig von der Leistung.“ Wo konkrete zusätzliche Leistungen erbracht und neue Funktionen erfüllt würden, müssten die Apotheker sich selbst um eine entsprechende Vergütung kümmern.
Von der ebenfalls von den Apothekern geforderten Abschaffung der Reimportquote hält Rebscher nichts: „Die Quote ist disziplinierend, sie wirkt mehr pädagogisch als praktisch.“ Diese Maßnahme solle man nicht als politisches und ökonomisches Problem in den Mittelpunkt stellen. „Dinge einzuführen oder abzuschaffen, hat immer ungeheure Signalfunktion.“
Schwachstellen gebe es hingegen auf der Herstellerebene, so Rebscher bei der Vorstellung des neuen DAK-AMNOG-Reports. Grundsätzlich hält er das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) zwar für erfolgreich. Nun könnten Innovationen von Scheininnovationen unterschieden und durch Preisverhandlungen die Ausgaben für Kassen gesenkt werden. Jedoch komme dieses Wissen bislang nicht bei den Ärzten an.
Das neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) sollte deshalb Informationen gebündelt bereitstellen: „Das IQTIG könnte entsprechende Reports in den Workflow des Praxisalltags übersetzen“, sagt Rebscher.
Laut Professor Dr. Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld verzeichneten neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen ein beträchtliches Umsatzwachstum. Greiner untersuchte für die DAK die Wirkungen des AMNOG auf den Verordnungsalltag. Bei dem MS-Medikament Fampyra etwa habe sich der Umsatz in den beiden Jahren nach der Prüfung verzehnfacht, obwohl kein Zusatznutzen festgestellt wurde. Insgesamt hat von den 58 Wirkstoffen in 64 Verfahren bis 2013 laut früher Nutzenbewertung nur jeder zweite Wirkstoff einen Zusatznutzen. „Aber das Wissen verpufft bislang wirkungslos“, so Greiner.
Zudem plädierten Greiner und Rebscher für eine Ausweitung der Kosten-Nutzen-Bewertung. „Wenn ein neues Arzneimittel Krankenhausaufenthalte reduziert oder langwierige Nachbehandlungen überflüssig macht, sollte (...) dies im Rahmen der Ermittlung eines Erstattungsbetrages berücksichtigt werden“, sagte Greiner. Gegen gerechnet werden müssten allerdings Kosten von Nebenwirkungen oder Komplikationen, die mit dem Einsatz neuer Präparate verbunden seien. Nach drei Jahren etwa könnte dann erneut der Nutzen bewertet werden.
Rebscher kritisierte zudem, dass der Bestandsmarkt nicht überprüft wird. In der Folge blieben zweifelhafte Medikamente auf dem Markt. Selbst wenn ihr Patent auslaufe, blieben sie als Generikum erhalten. Der Verzicht habe zu einem gespaltenen Arzneimittelmarkt geführt. Diese Zweiteilung müsse aufgehoben werden. „Man kann nicht auf eine natürliche Verdrängung solche Medikamente warten“, so Rebscher.
Nur sieben Hersteller hätten von 2011 bis 2013 kein Dossier für einen von der Nutzenbewertung erfassten Wirkstoff eingereicht. Sie gaben sich mit einer Eingruppierung in die Festbetragsgruppe oder einer Vergleichsgruppe im unteren Drittel des internationalen Preisniveaus zufrieden.
Zu von den Herstellern befürchteten Versorgungsproblemen hat das AMNOG laut Studie bislang nicht geführt: 13 Präparate wurden im Schiedsverfahren verhandelt, sieben Hersteller nahmen ihr Präparat daraufhin vom Markt. Zu Engpässen in der Versorgung habe dies nicht geführt, so Greiner. Ein vom Markt genommener Wirkstoff lasse sich bisher weitgehend schnell und problemlos durch andere Arzneimittel ersetzen.
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