Mit dem geplanten „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erneute Skandale um Verunreinigungen und undichte Lieferketten bei Importeuren verhindern. Das Rezept: Mehr Rechte und Pflichten für die Kassen, mehr Befugnisse für die Behörden.
So sollen als Konsequenz aus dem Valsartan-Skandal die Rechte von Kassen und Patienten gestärkt werden: Die Krankenkassen bekommen dem Entwurf zufolge einen Regressanspruch gegenüber den Herstellern, wenn ein Arzneimittel wegen Qualitätsmängeln zurückgerufen werden muss. Denn bisher haben die Kassen bei Rückrufen zwar einen wirtschaftlichen Schaden, aber keine unmittelbaren Ansprüche gegenüber dem Hersteller. Die Apotheken wiederum, die die Arzneimittel vom Hersteller oder Großhandel erwerben und mit diesem in einer vertraglichen Beziehung stehen, haben zwar Gewährleistungsansprüche, aber keinen eigenen Schaden.
Diese Regelungslücke soll geschlossen werden, so der Gesetzesentwurf, „so dass durch mangelhafte Arzneimittel entstehende Schäden der gesetzlichen Krankenkassen auch zum Verursacher zurückgewälzt werden können“. Das Unternehmen habe dadurch ein wirtschaftliches Interesse, dass seine Arzneimittel sicher sind. Das Nähere zur Erstattung der Aufwendungen und zur Minderung des Kaufpreises sollen die Verbände klären. Demnach könnten Pauschbeträge zur Erstattung der Aufwendungen für die erneute Verordnung und Abgabe eines mangelfreien Arzneimittels oder zur Minderung des Kaufpreises vereinbart werden.
Der Anspruch auf Minderung des Kaufpreises, den die Apotheke gegen den pharmazeutischen Unternehmer oder den Arzneimittelgroßhändler hätte, soll dann auf die Krankenkasse übergehen, soweit diese der Apotheke für die Abgabe des Arzneimittels eine Vergütung gezahlt hat. Für den Regressanspruch gilt dann entsprechend dem Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich eine zweijährige Verjährungsfrist ab Abgabe des Arzneimittels. Bei einem übergegangenen Anspruch auf Minderung des Kaufpreises bleibt es bei der regelmäßigen gesetzlichen Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Die Patienten wiederum sollen nicht mehr erneut zuzahlen müssen, wenn sie eine Folgeverordnung benötigen, weil ein Medikament wegen Qualitätsmängeln zurückgerufen wird. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung muss die Kasse dem Versicherten dann auf Antrag erstatten.
Engpässe sollen in die Rabattverträge aufgenommen werden. In ihnen solle künftig gelten, „dass auch eine unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte Lieferfähigkeit des Arzneimittels zu berücksichtigen ist“, heißt es da. „Dies dient auch der Vorbeugung von Liefer- und Versorgungsengpässen bei Rabattarzneimitteln und nimmt die Krankenkassen in die Mitverantwortung für die Lieferfähigkeit.“ Das könnte Auswirkungen auf die Zahl der Anbieter in den Verträgen oder deren Kontrolle durch die Kassen haben.
Bei sich abzeichnenden Engpässen soll die Koordinierungsrolle der Bundesoberbehörden insbesondere in Fällen drohender Versorgungsengpässe gestärkt werden. Künftig sollen sie auch an den Inspektionen von Wirkstoffherstellern in Drittstaaten teilnehmen. Die Länder sollen die zuständigen Bundesoberbehörden über geplante Inspektionen informieren müssen. Auch die Transparenz soll erhöht werden: Informationen über Wirkstoffhersteller sollen öffentlich gemacht werden.
Als Konsequenz aus dem Skandal um den Pharmahändler Lunapharm sollen die Kompetenzen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gestärkt werden. Sie koordinieren Rückrufe auf Ebene der Bundesländer. Zwischen den Behörden von Bund und Ländern soll eine Informationspflicht bei Rückrufen eingeführt werden und die Rückrufkompetenzen der zuständigen Bundesoberbehörden gestärkt werden: Rückrufe durch die Bundesbehörden sollen „grundsätzlich bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis oder bei Vorliegen des Verdachts einer Arzneimittelfälschung“ möglich sein, so der Referentenentwurf.
Die Landesbehörden wiederum sollen mehr Überwachungskompetenzen erhalten. So soll die Befugnis zur Einsichtnahme in Unterlagen bezüglich der Wirkstoffe und anderer zur Arzneimittelherstellung bestimmter Stoffe klargestellt werden und die Zahl der Inspektionen – insbesondere in Zyto-Apotheken – erhöht werden. Zum Schutz gegen Arzneimittelfälschungen sollen die EU-Vorgaben zur Kennzeichnung von Arzneimitteln mit Sicherheitsmerkmalen – also Securpharm – angepasst werden. „Neben Anzeige- und Überwachungspflichten werden Sanktionen bei Verstößen gegen Anforderungen der EU-Verordnung geregelt.“ Die Kennzeichnung soll vereinfacht werden. Öffentlich einsehbar sollen darüber hinaus die sogenannten „Interessenkonflikterklärungen“ für Inspektoren von pharmazeutischen Herstellern und mit der Arzneimittelzulassung befassten Bediensteten werden.
Nicht nur aus Valsartan und Lunapharm, sondern auch aus dem Zyto-Skandal von Bottrop will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Konsequenzen ziehen. Dem Entwurf zufolge sollen Zyto-Apotheker künftig nicht mehr an hochpreisigen Medikamenten verdienen und häufiger kontrolliert werden. Die Importquote wiederum will Spahn nicht abschaffen, aber deutlich strenger fassen. „Die 15-Euro-Preisabstandsgrenze bei der Regelung zum Import von Arzneimitteln fällt weg“, heißt es dazu. Maßgeblich ist demnach künftig ein Preisabstand von 15 Prozent. Außerdem will Spahn der Selbstverwaltung mit dem Gesetz Druck machen. Nach Inkraftreten des Gesetzes habe sie sieben Monate, um für die Einführung des E-Rezeptes zu sorgen: Nach derzeitigem Zeitplan wäre das der 1. Februar 2020.
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