2,31 Millionen Medikamentensüchtige APOTHEKE ADHOC/dpa, 21.05.2015 14:52 Uhr
Bis zu 2,31 Millionen Menschen in Deutschland sind medikamentensüchtig; weitere 4,6 Millionen nehmen Medikamente missbräuchlich ein. Das geht aus dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht hervor, der von der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler (CSU) vorgestellt wurde. Mortler hebt zudem die legalen Drogen Alkohol und Tabak als Kernprobleme der deutschen Drogenpolitik hervor.
Der Bericht bezieht sich in seinen Angaben zum Medikamentenmissbrauch auf Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys. Der Suchtsurvey für 2012 geht davon aus, dass 2,3 Millionen Menschen von Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmitteln abhängig seien. Die Zahlen dazu gehen jedoch weit auseinander: Der Gesundheitssurvey des Robert-Koch Instituts (RKI) geht von 1,3 Millionen Medikamentenabhängigen aus.
Die Langzeitnutzung der meistverschriebenen Schlafmittel, Benzodiazepine, führe beispielsweise zu Symptomen, die dem natürlichen Alterungsprozess ähneln, heißt es im Drogenbericht: So ließen Gedächtnisleistung und körperliche Energie durch die Medikamenteneinnahme nach, das erhöhe die Sturzgefahr. Studien legten zudem nahe, dass die dauerhafte Einnahme von Sedativa die Demenzanfälligkeit steigern könne.
Um der Abhängigkeit oder dem Missbrauch von Medikamenten entgegen zu wirken, schlägt der Bericht eine 4K-Präventionsregel vor. Neben klarer Hinweise zur Einnahme sollen möglichst kleine Packungsgrößen für einen möglichst kurzen Zeitraum verschrieben werden. Zugleich sollen die Patienten ihr Medikament nicht abrupt absetzen, um Entzugserscheinungen zu vermeiden.
Ein zentrales Drogenproblem in Deutschland bleibe der Alkoholmissbrauch, so Mortler weiter. Laut Darstellung des Statistischen Bundesamts, auf das sich der Drogenbericht bezieht, waren nach Herzinsuffizienz der zweithäufigste Anlass für einen Klinikaufenthalt 2013 psychische Störungen durch Alkohol – 338.204 Fälle – inklusive akutem Alkoholmissbrauch. Jedes Jahr würden mindestens 74.000 Menschen an Alkoholmissbrauch sterben, so der Bericht weiter.
Tabakkonsum bleibt laut Bundesregierung das „größte vermeidbare Gesundheitsrisiko“, das jährlich bis zu 110.000 Tote fordert. Knapp jeder vierte erwachsene Deutsche (24,5 Prozent) greife weiterhin regelmäßig zur Zigarette. Bei Kindern und Jugendlichen liege die Raucherquote dagegen erstmals unter 10 Prozent.
Der Bericht gibt zudem an, dass im vergangenen Jahr 1032 Menschen durch illegale Drogen umgekommen seien. Das entspricht einem Anstieg von 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es griffen laut Bericht immer mehr Menschen zu gefährlichen künstlichen Drogen wie Crystal Meth. Diese „Modedroge“ verbreite sich insbesondere im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Auch sogenannte neue psychoaktive Substanzen würden vermehrt über das Internet bestellt.
Zugleich werde Cannabis als Droge verharmlost; in diesem Bereich steige die Nachfrage nach Suchtberatungen, so Mortler. Der Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der Grünen, Harald Terpe, kritisiert die „ideologische Verbotspolitik der Bundesregierung“ zu Cannabis als erfolglosen Ansatz: Der Schwarzmarkt könne auf diese Weise nicht kontrolliert werden.
Der drogenpolitische Berichterstatter der SPD, Burkhard Blienert, ergänzt, dass erhöhter Drogenkonsum auf gestiegene Alltagsbelastungen zurückzuführen sei. Drogen würden zur Bewältigung von Leistungsdruck und Versagensängsten eingesetzt, so Blienert. Auch darauf müsse die Politik mit Präventionsmaßnahmen reagieren.
Mortler nennt im Bericht zudem die vier Säulen, auf denen die deutsche Drogen- und Suchtpolitik basiert: Sie setzt Prävention an erste Stelle. Die Suchtbehandlung, Schadensminimierung und gesetzliche Maßnahmen zur Angebotsminimierung seien weitere Ansätze. Gesetzliche Maßnahmen sollen auch in Ländern greifen, in denen Drogen produziert werden. Vor Ort soll dafür gesorgt werden, dass weniger Drogen illegal international gehandelt werden.