Das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) befasst nicht nur die Apotheker selbst – auch in den Bundesländern wird darüber diskutiert. Die rot-rot-grüne Landesregierung von Thüringen prüft nach eigenen Angaben die Ergebnisse des Gutachtens – immerhin müsste der Bundesrat einer Anpassung des Apothekenhonorars zustimmen.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Christoph Zippel hatte sich mit einer Kleinen Anfrage an die Regierung gewandt. Ihn hatte die öffentliche Debatte über das Honorargutachten verfolgt und besorgt. Denn dieses Gutachten im Auftrag des BMWi habe ergeben, „dass fast jede zweite Apotheke in Deutschland so wenig Ertrag abwirft, dass sich ein Weiterbetrieb kaum noch lohne“. Das beauftragte Beratungsunternehmen 2hm empfehle, „das somit drohende Apothekensterben nicht durch politische Maßnahmen aufzuhalten“, so Zippels einleitende Worte. Zudem sollten die Apotheker laut Gutachten stärker nach Leistung bezahlt werden, da sie „derzeit mehr Geld bekämen, als ihnen nach der geleisteten Arbeit zustünde“.
Zippel wollte von der Landesregierung wissen, welche Erkenntnisse dieser über die wirtschaftliche Lage der Apotheken in Thüringen vorliegen. Die zweite Frage des CDU-Abgeordneten: „Wäre nach Ansicht der Landesregierung im Falle einer Reduzierung der Zahl der Apotheken in Thüringen um 50 Prozent weiterhin die Versorgung der Bevölkerung im Freistaat Thüringen mit Arzneimitteln, die Qualität der Beratung und Betreuung durch die Apotheken sowie die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern (Reduktion der Gefahr der Fehlmedikation) gewährleistet?“
Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) antwortete im Namen der Landesregierung. Das BMWi lege das Apothekenhonorar im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) fest, erinnert sie. Bei der Festsetzung der Preise und Preisspannen müsse der Verordnungsgeber unter anderem den berechtigten Interessen der Verbraucher und Apotheken Rechnung tragen – „zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung.“
Und dann folgt der entscheidende Satz: „An Hand dieser gesetzlichen Bestimmungen wird derzeit das am 21. Dezember 2017 auf der Website des BMWi veröffentlichte Gutachten von der Landesregierung geprüft, Änderungen der auf der Grundlage von § 78 AMG erlassenen Arzneimittelpreisverordnung unterliegen der Zustimmung des Bundesrates“, schreibt Werner.
Dabei sei es gleichermaßen Anliegen der Landesregierung, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch in Zukunft in Verantwortung von Apothekern als freie Heilberufler sicherzustellen. „Aus Sicht der Landesregierung ist der persönlich haftendende Heilberufler Garant für die Qualität der Beratung und Betreuung der Patientinnen und Patienten, auch in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten“, schreibt Werner.
In Thüringen unterliege der Apothekenbetrieb der Überwachung dem Landesamt für Verbraucherschutz, erinnert die Ministerin. Die Überwachungsbefugnisse bezögen sich aber nur auf den ordnungsgemäßen Verkehr mit Arzneimitteln, „sodass der Landesregierung keine Erkenntnisse über die wirtschaftliche Lage der Apotheken in Thüringen vorliegen“.
Aktuell liegen der Landesregierung laut Werner jedenfalls keine Informationen vor, dass die Arzneimittelversorgung gefährdet sei. „Um die fiktive Frage der Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung bei einer Reduktion der Apothekenzahl in Thüringen um 50 Prozent beantworten zu können, würde es eines Bewertungsmaßstabes bedürfen. Diesen aber gibt es auf Grund der fehlenden Bedarfsplanung in diesem Bereich nicht“, so die Ministerin.
Der Bundesgesetzgeber habe den Apotheken allerdings die hoheitliche Aufgabe der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung übertragen. Um die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu garantieren, seien diese per Gesetz grundsätzlich von Apotheken abzugeben. Für die Vorratshaltung und Abgabe seien umfangreiche Pflichten normiert. Mit den Bestimmungen zum Betrieb von Rezeptsammelstellen und Notapotheken seien Vorkehrungen getroffen, um die Versorgung in der Fläche sicherzustellen.
Der Betrieb einer Apotheke ist laut Werner an die Erfüllung umfangreicher persönlicher und sächlicher Voraussetzungen geknüpft. Die Versorgungslage, also der Bedarf einer Apotheke, gehörten dabei nicht zu den Erlaubnistatbeständen, erinnert Werner an die Niederlassungsfreiheit. Für die Honorierung sei der Verordnungsgeber im Bund zuständig. Doch Änderungen des Honorars müssen durch den Bundesrat – und da wird die rot-rot-grüne Landesregierung anscheinend sehr genau hinsehen.
Anfang Februar hatte der Landesapothekerverband ausgerechnet, dass es für jede zweite Apotheke das Aus bedeuten könnte, wenn die Empfehlungen zum Apothekerhonorar so umgesetzt würden wie empfohlen. Verbandschef Stefan Fink sagte der Ostthüringer Zeitung, dass von den 550 Apotheken rund 270 schließen müssten, in 82 Kleinstädten gäbe es dann keine Apotheke mehr vor Ort. Dazu kämen bis zu 2000 Arbeitsplätze, die dann wegfielen und vor allem Frauen treffen würden. Denn der Frauenanteil in Thüringer Apotheken liegt bei aktuell etwa 90 Prozent.
Ferner sah der Apothekerverband bei den weiter bestehenden Apotheken die Gefahr eingeschränkter Dienstleistung. Mit weniger Personal falle künftig die kompetente Beratung dann kürzer oder sogar ganz aus. Botendienste oder Fortbildungen für Mitarbeiter wären auch Kandidaten für die Streichliste.
Die 2hm-Studie sei „ein Gutachten für die Schublade”. Für Fink steht die rot-rot-grüne Landesregierung unter Bodo Ramelow in der Pflicht, sich für die Thüringer stark zu machen und alles abzuwehren, was der Arzneimittelversorgung vor Ort zuwider läuft. Bislang habe sich jede Landesregierung dafür stark gemacht.
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