In vielen Apotheken müssen die Inhalte des Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) erst einmal noch verarbeitet werden. Recht kompakt kommen auf 49 Seiten derartig viele Themen auf dem Tisch, dass der Überblick schwerfällt. An vielen Stellen wird sich der Apothekenmarkt bewegen, sollte das Gesetz so kommen wie geplant. Auch neue Aufgaben kommen hiermit dazu: Die Kompetenz der Apotheken in Sachen Impfen und Testen soll erweitert werden. Hierzu soll das Infektionsschutzgesetz und auch das Heilmittelwerbegesetz entsprechend angepasst werden. Was das bedeutet und warum das die Ärzt:innen aufregt.
Der Entwurf sieht vor, dass § 20c Infektionsschutzgesetz (IfSG) dahingehend angepasst wird, dass in Apotheken nach entsprechender Schulung bei volljährigen Personen alle Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen durchführen dürfen, also gegen Diphtherie, Hepatitis B, Polio, Keuchhusten und Tetanus sowie gegen FSME und Pneumokokken.
Das bereits während der Corona-Pandemie geschaffene Angebot der Influenza- und Corona-Impfungen solle damit erweitert werden, „um Impfquoten bei der erwachsenen Bevölkerung zu verbessern“, heißt es zur Begründung. Außerdem solle „die Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern im Sinne der Patientinnen und Patienten bestmöglich“ genutzt werden.
Wie bislang sind für die neu hinzukommenden Impfungen zwischen den Krankenkassen und den Landesapothekerverbänden Vergütungsvereinbarungen zu treffen. Diese sollen neben der Impfleistung auch die Impfdokumentation und die Abrechnung berücksichtigen. „Um sicherzustellen, dass der Vertrag zeitnah zustande kommt, ist weiterhin eine Schiedsstellenlösung vorgesehen. Dadurch sollen die Apotheken Sicherheit über die Vergütung für die Durchführung von Schutzimpfungen gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis und Schutzimpfungen gegen Pneumokokken erhalten.“
Mehrausgaben bei den Kassen „aufgrund der zusätzlichen Durchführung von Schutzimpfungen durch Apotheken“ seien zu erwarten. Dafür könne es noch nicht zu beziffernde Einsparungen durch vermiedene Erkrankungen geben. Da aber nicht abschätzbar sei, wie viele Impfungen in Apotheken letztlich durchgeführt werden, und die Vergütung noch verhandelt werde, „können die Mehrausgaben nicht quantifiziert werden“, heißt es dazu.
Zudem spricht das BMG von möglichen Einsparungen für die GKV „bei ärztlichen Leistungserbringern“ – die aber ebenfalls noch nicht zu beziffern seien – „sofern die noch zu verhandelnde Vergütung der Durchführung der Schutzimpfungen niedriger als für ärztliche Leistungserbringer ausfällt“.
Berechtigt sind Approbierte demnach dann laut Infektionsschutzgesetz zu diesen Schutzimpfungen, wenn:
Für die Impfungen brauche es in Apotheken geeignete Räume, die aber nicht ausschließlich zur Durchführung von Schutzimpfungen verwendet werden müssen. Dort müssen „notwendige Hygienemaßnahmen umgesetzt werden“, während der Impfung darf der Raum nicht für andere Zwecke genutzt werden.
Zur Durchführung gehört neben „dem Setzen der Spritze auch die Anamnese, Aufklärung und Impfberatung, die Feststellung der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergien, die Einholung der Einwilligung der zu impfenden Person sowie die Beobachtung im Anschluss an die Schutzimpfung und auch das Beherrschen und unter Umständen Anwenden von Notfallmaßnahmen im Falle von akuten Impfreaktionen.“ Kenntnisse von Indikationen und Kontraindikationen in Bezug auf die jeweilige Schutzimpfung sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zu deren Beachtung werden vorausgesetzt.
Sollten Approbierte bereits für das Impfen geschult sein, brauche es für die Totimpfstoffanwendung nur eine Ergänzungsschulung. Wie die Schulungen und Ergänzungsschulungen auszusehen haben, soll die Bundesapothekerkammer (BAK) bis einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer (BÄK) über „ein Mustercurriculum für die ärztliche Schulung der Apotheker“ erarbeiten. „Die Schulungen können, soweit möglich, in digitaler Form abgehalten werden.“
Ebenfalls erwähnt wird im Entwurf die bereits etablierte Corona-Testinfrastruktur. „Diese geschaffene Testinfrastruktur soll auch zukünftig flexibel und kostengünstig eingesetzt werden“, so das BMG. Daher wird „mit der Änderung des § 24 IfSG […] der dort enthaltene Arztvorbehalt in Bezug auf die Durchführung von patientennahen Schnelltests in Apotheken aufgehoben“. Um diese neuen Leistungen entsprechend bewerben zu dürfen, wird auch das Heilmittelwerbegesetz angepasst.
Demnach wird damit die Durchführung und Werbung für In-vitro-Diagnostika für nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen künftig in Apotheken erlaubt. Dies bezieht sich auf patientennahe Schnelltests auf das Adenovirus, Influenzaviren, das Norovirus, Respiratorische Synzytial Viren (RSV) und das Rotavirus, also auf nicht hochpathogene Krankheitserreger. Aufgrund notwendiger besonderer Sicherheitsvorkehrungen bei hochpathogenen Erregern sei hier nicht vom Arztvorbehalt abzuweichen.
Die Tests auf das Adenovirus, Influenzaviren, das Norovirus, RSV und das Rotavirus sind dabei von Approbierten „und dem in der Apotheke tätigen pharmazeutischen Personal“ durchzuführen. „In-vitro-Diagnostika, die für patientennahe Schnelltests bei Testung auf HIV, das Hepatitis-C-Virus, Sars-CoV-2 und Treponema pallidum“ dürfen hingegen auch von „Personen unabhängig von ihrer beruflichen Qualifikation“ gemacht werden.
Im Übrigen bekommen auch Zahnarztpraxen und Tierarztpraxen hier entsprechend größere Befugnisse.
APOTHEKE ADHOC Debatte