Als Ingrid Schierle, Apothekerin der StorchenApotheke in Gerzen, die Eckpunkte des Entwurfes zur Apothekenreform zum ersten Mal liest, ist das für sie, wie ein Schlag ins Gesicht: „Eine Apotheke ohne Apotheker geht gar nicht, Punkt.“ Denn schon jetzt sei die Lage häufig schwierig: „Die aktuelle Situation der Arztpraxen vor Ort ist auf Kante genäht. Wir haben zwar drei Ärzte in unmittelbarer Nähe, aber einer ist bereits über 70 Jahre alt, der nächste gerade im Urlaub und der dritte nimmt keine Patienten mehr an“, so Schierle. Deswegen ist für sie klar: „Uns Apothekern müssen vor allem in Notsituationen mehr Kompetenzen zugesprochen werden, anstatt uns aus den Filialen rauszustreichen.“
Die Situation der Arztpraxen in der unmittelbaren Nähe zur StorchenApotheke ist derzeit „knapp auf Kante genäht“, so Schierle. Denn: „Eine Praxis hat Sprechzeiten von 8 bis 11 Uhr, die nächste hat gerade wegen Urlaub vier Wochen geschlossen und die dritte einen Ort weiter nimmt keine neuen Patienten mehr auf“, so Schierle. „Was soll ich mit Patienten machen, die nachmittags mit einem dringenden Medikamentenwunsch in unsere Apotheke kommen?“, fragt sie. „Anstatt Apotheken ohne Apotheker vorzuschlagen, müsste uns Pharmazeuten mehr Kompetenz zugestanden werden“, so die Apothekerin.
Denn dann hätten alle mehr „Beinfreiheit“, so Schierle. „Wenn jemand beispielsweise mit einer Blasenentzündung und den entsprechenden Symptomen in die Apotheke kommt, dann wäre es doch angebracht, ein entsprechendes Arzneimittel abgeben zu dürfen. Vor allem an Tagen, an den die Arztpraxis bereits geschlossen hat“, so die Apothekerin. „Stattdessen müssen wir den Patienten erst zum Arzt oder zur Notfallpraxis schicken. Es wäre für alle leichter und zeitsparender, in solchen Situationen handeln zu dürfen.“
Zudem sieht sie eindeutig die großen Apotheken im Vorteil, wenn die Reform in Kraft tritt: „Kleinere Landapotheken müssen dann befürchten, von Filialeröffnungen der großen Apotheken geschluckt zu werden. Finanziell flexiblere Inhaber und Inhaberinnen haben mehr Möglichkeiten für weitere Neueröffnungen. Ich sehe für kleinere Betriebe keine Chance“, so Schierle. Mehr noch: „Stattdessen sollen im ländlichen Raum Abgabestellen für die Arzneimittelversorgung errichtet werden. Wir sehen jetzt schon viele Verständnisprobleme im Bezug auf den E-Rezeptprozess bei der älteren Bevölkerung“, beklagt sie.
Es komme häufiger vor, dass vor allem Senior:innen viel Einfühlungsvermögen brauchen: „Manche sind überfordert und benötigen Hilfe, weil sie gar nicht wissen, welche Medikamente überhaupt verordnet wurden.“ Sie höre Sätze, wie: „Ich weiß bloß, dass ich ein Medikament weiter nehmen soll, aber nicht welches.“ Die Reformpläne seien für Schierle in dem Bezug „völlig an der Realität vorbei“. Es braucht Apotheker und Apothekerinnen vor Ort, und wir werden nicht um eine Honorarerhöhung herumkommen, ist für Schierle klar.
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