Ausländische Versandapotheken dürfen seit dem EuGH-Urteil Rx-Boni gewähren. Doch welche Folgen hat das für die Abrechnung? Der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) hat ein Rechtsgutachten vorgestellt, wonach EU-Versender nur dann Anspruch auf den Herstellerrabatt haben, wenn sie dem Arzneimittel-Rahmenvertrag beigetreten sind und zugleich die damit verbundenen Preisvorschriften einhalten. Wer dagegen verstößt, kann danach nicht auf die Einhaltung der restlichen Vertragsbestandteile pochen. Daran ändere auch das Urteil des EuGH nichts.
Zu den Folgen des EuGH-Urteils hat der MVDA ein Rechtsgutachten der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft fertigen lassen. Wie schon zuvor Steueranwalt Dr. Bernhard Bellinger und der Arzneimittelimporteur Kohlpharma kommt die BDO zu dem Schluss, dass ausländische Apotheken nur dann Anspruch auf den Herstellerrabatt haben, wenn sie dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs.2 SGB V beigetreten sind. Dieser beinhalte jedoch auch die Beachtung des Arzneimittelpreisrechts, auf die im Rahmenvertrag Bezug genommen werde. Wer diese Vertragsbestandteile missachte, könne nicht auf die Einhaltung der restlichen – ihm genehmen – Vertragsbestandteile pochen, so der MVDA. Daran ändere auch das Urteil des EuGH nichts.
Vor diesem Hintergrund ist die „europarechtskonforme Auslegung“ des Rahmenvertrags durch den GKV-Spitzenverband wohl eher als eine interessengetriebene Auslegung zu betrachten, kritisiert der MVDA. Der GKV-Spitzenverband hatte nämlich keine rechtlichen Grundlagen erkannt, ausländische Versender wegen der Boni-Gewährung vom Rahmenvertrag auszuschließen oder andere Maßnahmen zu ergreifen: „Die Pflicht zur Leistung der gesetzlichen Herstellerabschläge bleibt durch die Boni-Gewährung unberührt“, so der Kassenverband.
Für den MVDA ergibt sich aus dem Gutachten eine andere Schlussfolgerung: „Das EuGH-Urteil destabilisiert die gesamte Arzneimittelversorgung in Deutschland, indem es ein Urteil zum freien Warenverkehr fällt, aber verkennt, dass Arzneimittelversorgung das zugrundeliegende Thema war. Sozialgesetzgebung und Gesundheitsversorgung liegen aber gemäß den EU-Gründungsverträgen in nationaler Verantwortung und daran hat sich bis heute nichts geändert.“
Mit diesem Urteil greife der EuGH in eine ausbalancierte Struktur zwischen einer verantwortungsbewussten Entlastung der Solidargemeinschaft und einer wirtschaftlich darstellbaren flächendeckenden Versorgung mit pharmakologischer Kompetenz ein. „Die bundesdeutsche Rechtsprechung zeigt in ihrer Summe, dass es Gesetzgeber und Gerichten vor allem darum geht, einen ruinösen Preiswettbewerb der Apotheken untereinander zu verhindern“, so MVDA-Präsidentin Gabriela Hame-Fischer. „Dieser Ansatz hat sich im deutschen Gesundheitssystem, vor allem zur Versorgung in der Fläche, bestens bewährt.“
Vor diesem Hintergrund warnt die MVDA-Präsidentin davor, durch Preisdumping aus dem Ausland die fragile flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gefährden: „Der Europäische Gerichtshof bringt mit seiner ausschließlich markt- und warenorientierten Argumentation vor allem die Offizin-Apotheke in dünner besiedelten Gebieten in Konkursgefahr, denn dort sind die Margen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln keineswegs so, dass ein Wettbewerb mit ungleichen Spießen zu gewinnen wäre. Die Patienten werden dann vielleicht anonym mit Arzneimitteln beliefert, aber sie werden keinesfalls mehr umfassend fachkundig beraten und pharmakologisch betreut. Das kann niemand wollen“, so Hame-Fischer.
Der MVDA begrüßt vor diesem Hintergrund ausdrücklich den Ansatz von Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe CDU), das bestehende Gleichgewicht durch ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel mittelfristig zu stabilisieren. „Wir sehen aber sehr wohl, dass E-Mail und Internet auch zum zukünftigen Arzneimittelmarkt gehören werden“, so Hame-Fischer. „Wir sind also sehr daran interessiert, gemeinsam mit der Politik, andere Finanzierungs- und Vergütungssysteme zu entwickeln, die den Apotheken in der Fläche dauerhaft ihre Existenz sichern. Denn wir werden den Sachverstand des Heilberufs zukünftig dringender denn je in unterversorgten Gebieten brauchen.“
Der Steuerberater und Rechtsanwalt Bellinger hatte im Februar im Auftrag mehrerer Apotheker alle großen Verbände der Pharmaindustrie angeschrieben. Weil sich die niederländische Versandapotheke nicht an die Preisbindung hält, sollten die Hersteller ihr auch den Herstellerabschlag nicht mehr erstatten, so sein Aufruf. Die Reaktionen aus den Verbänden waren aber gemischt.
Die Position der Apotheker brachte Bellinger in einem Satz auf den Punkt: „Wir gehen davon aus, dass die Arzneimittelhersteller nicht verpflichtet sind, von DocMorris über die Rechenzentren geltend gemachte Ansprüche auf Erstattung des Herstellerrabatts zu bedienen.“ Bellinger hatte zudem im Auftrag einer Apothekerin Anzeige gegen die gesamte DocMorris-Spitze erstattet. Da die Versandapotheke den eigenen Kunden falsche Belege ausstelle, begehe sie fortwährend Steuerordnungswidrigkeiten, so sein Vorwurf.
Schon einen Schritt weiter ist Kohlpharma: Der Importeur aus dem Saarland hat DocMorris verklagt, um bereits überwiesene Herstellerrabatte zurück zu bekommen. Und künftig will Kohlpharma überhaupt keine Abschläge mehr an DocMorris und die Europa Apotheek zahlen – auch wenn man damit das Risiko eingehe, ausgelistet zu werden. Laut Kohlpharma-Geschäftsführer Jörg Geller geht es um ein politisches Zeichen: „Wettbewerb muss fair sein. Es kann nicht sein, dass eine Seite sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspickt und die andere Seite auf den weniger attraktiven Zutaten sitzen bleibt.“ Sollten weitere Hersteller dem Beispiel folgen, könnte den Rx-Boni der EU-Versender die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden, so die Überlegung.
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