„Sind Arzneimittel tatsächlich mit Bier vergleichbar?“, fragt sich Rechtsanwalt Dr. Johannes Kevekordes. Er kritisiert das Apothekenstärkungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), denn er befürchtet eine Aushöhlung der Arzneimittelpreisbindung auch im Inland. Der Entwurf aus dem BMG sei in sich widersprüchlich, argumentiert der Rechtsanwalt.
Kevekordes erinnert daran, dass die EU-Kommission seinerzeit die Aufhebung des Reinheitsgebots für Bier aus dem EU-Ausland gegenüber dem deutschen Gesetzgeber unter Hinweis auf das europarechtliche Diskriminierungsverbot durchgesetzt hat. „Das soll jetzt nach Ansicht des Bundesgesundheitsministers offensichtlich auch die Begründung dafür sein, dass im Referentenentwurf seines Hauses in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der EU-Kommission die komplette Streichung von § 78 Abs. 1 (4) AMG und damit der Arzneimittelpreisbindung für Arzneimittelimporte aus dem EU-Ausland vorgesehen ist“, kritisiert Kevekordes. Er befürchtet, dass der Protest der ABDA-Mitgliederversammlung zu versanden droht.
Aber ist die Arzneimittelpreisbindung tatsächlich mit dem Reinheitsgebot für Bier vergleichbar? Deutsche Bierhersteller könnten auch weiterhin mit der Einhaltung jener Qualitätsmerkmale bestehen, an die sich ausländische Bierimporteure nicht mehr halten müssten, so Kevekordes. Bei der Freigabe des Preises als wichtigstem Wettbewerbsmerkmal drohe auf der anderen Seite aber die Aushöhlung der Arzneimittelpreisbindung auch im Inland – zulasten der bisher inhabergeführten Apotheken. „Das Vorhaben des Bundesgesundheitsministers gefährdet den flächendeckenden Bestand kleinerer Apotheken und legt, möglicherweise ungewollt, die Axt an das bisherige gesetzliche Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke“, moniert der Rechtsanwalt aus Hannover.
Mit der kompletten Streichung würde der Gesetzgeber Kevekordes zufolge auch deutlich über das EuGH-Urteil hinausgehen. Die Luxemburger Richter hatten im Oktober 2016 entschieden, dass ausländische Versandhandelsapotheken Rx-Boni gegenüber deutschen Kunden gewähren dürfen. Dass sie sich gar nicht an die Vorschriften halten müssen, gibt das Urteil nicht her.
„Dabei ist der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministers bereits in sich widersprüchlich“, so Kevekordes. Spahns erklärtes Ziel sei ungeachtet des EuGH-Urteils angeblich die Durchsetzung des Rx-Boni-Verbots für ausländische Versandapotheken – merkwürdigerweise aber nur für Kassenpatienten durch § 129 SGB V mit einem Verweis auf das AMG. „Dieser Verweis geht allerdings ins Leere, weil im AMG aufgrund einer angekündigten Beschwerde der EU-Kommission wegen angeblicher Diskriminierung ausländischer Apotheken § 78 Abs. 1 S. 4 AMG gestrichen werden soll.“ Denn dort stehe bisher, dass auch für ausländische Versender die Preisbindung gilt. „Der maßgebliche Regelungsinhalt des Gesetzesentwurf widerspricht mithin der Gesetzesbegründung“, schlussfolgert Kevekordes.
Spahn hatte kurz vor der ABDA-Mitgliederversammlung am 2. Mai seine Stellungnahme gegenüber der EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren bekannt gemacht. Die Regierung hat Brüssel demnach die Streichung des Paragrafen bereits zugesagt – vor der Frist und damit durchaus ein Affront gegen die ABDA.
Kevekordes meint, dass diese Positionierung auch rechtlich nicht zwingend gewesen sei. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bundesregierung aus von außen nicht nachvollziehbaren Gründen ihren rechtlichen Argumentationsspielraum gegenüber der EU-Kommission nicht nutzt“, so der Rechtsanwalt.
Kevekordes erinnert auch ab das „Apotheken-Urteil“ aus 2009, mit dem der EuGH das Fremdbesitzverbot bestätigt hatte. Darin habe der EuGH aus dem „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ ein weites Ermessen jedes EU-Mitgliedsstaates hergeleitet.
Mit Urteil vom 12. März 2018 habe das Gericht bestätigt, dass jeder EU-Mitgliedstaat die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung samt Zuweisung der erforderlichen Mittel eigenständig regeln dürfe. „Insoweit sollte es wie im Rahmen der Niederlassungsfreiheit auch für die hier einschlägige Warenverkehrsfreiheit nach EU-Recht auf die ansonsten gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entscheidend ankommen“, so Kevekordes.
Vor diesem Hintergrund dürfte es aus Sicht des Rechtsanwalts durchaus nicht aussichtslos sein, wenn sowohl die ABDA auf die Fraktionen des Deutschen Bundestages zugehen, damit dieser die Vorstellungen des Bundesgesundheitsministers in der vorliegenden Form nicht umsetzt. Dasselbe gelte für die einzelnen Apotheker, die die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis ansprechen sollten.
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