Der Rechtsstreit zwischen der Brandenburger Pharmafirma Lunapharm und dem Fernsehsender RBB um die Berichterstattung zu illegalem Handel mit Krebsmedikamenten geht in die nächste Instanz. Der RBB hat Berufung gegen das Urteil des Berliner Landgerichts eingelegt, wonach Teile des im ARD-Magazin „Kontraste“ ausgestrahlten Berichts unzulässige Verdachtsberichterstattung gewesen seien, bestätigte Gerichtssprecher Thomas Heymann.
Der Teil des Berichts, der Lunapharm unter den Verdacht krimineller Machenschaften gestellt habe, sei vorverurteilend gewesen, hatte die Pressekammer in ihrem Urteil Mitte Juni gerügt. Andere Aussagen des Berichts, die sich mit einer möglichen Unwirksamkeit der Krebsmedikamente befassten, seien jedoch zulässig gewesen, weil es sich um Fragen des Patientenwohls gehandelt habe. Der RBB hatte bereits nach dem Urteil angekündigt, in Berufung zu gehen. „Wir sind weiter von der Richtigkeit unserer Recherchen überzeugt“, sagte RBB-Sprecher Justus Demmer.
Mitte Juni hatte das LG Berlin zwar den von Lunapharm geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz abgewiesen und die Berichterstattung nicht in Gänze verurteilt – aber eine ganze Reihe von Aussagen darf der RBB nicht erneut tätigen. Das Gericht verhängte gegen den RBB ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft bei Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsanspruch. 26 Behauptungen dürfen laut Urteil nicht mehr vom RBB getätigt werden. Denn durch sie liege eine vorverurteilende unzulässige Verdachtsberichterstattung vor, urteilten die Richter.
Bei den strittigen Äußerungen ging es im Speziellen um drei Kontraste-Beiträge vom 12. Juli, 23. August und 11. Oktober 2018. Darunter befinden sich die steilsten Aussagen über das Unternehmen, immer wieder kommen darin Begriffe vor wie „illegal“, „geschmuggelt“, „gestohlen“, „kriminelle Bande“, „kriminelles Netzwerk“ oder „Hehlerei im großen Stil“, aber auch die viel diskutierte Behauptung, dass die griechischen Zytostatika in Koffern auf einem Fischmarkt zwischengelagert und dann per Flugzeug nach Deutschland gebracht wurden.
Der RBB habe hier mit seiner Ausdrucksweise die Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung vor allem deshalb verletzt, weil er durchweg im Indikativ berichtete, anstatt aufgrund des Verdachtsmoments den Konjunktiv zu benutzen. Dadurch seien Vorwürfe als als Tatsachen dargestellt worden, die noch nicht belegt sind. Sich auf griechische Ermittlungsakten zu berufen, reiche dabei als Legitimation für die Äußerungen nicht aus. In den ersten beiden Beiträgen wurden darüber hinaus nicht nur einzelne Äusserungen untersagt, sondern auch jeweils eine ganze Passage, darunter eine Anmoderation aus der Sendung. Die Passagen würden den Eindruck erwecken, Lunapharm handele wissentlich mit gestohlenen oder unsachgemäß gelagerten Krebsmedikamenten und sei Mitglied eines europaweiten Netzwerks, das Hehlerei mit diesen betreibt.
In seiner Urteilsbegründung hat das Gericht auch handwerkliche Nachlässigkeiten der RBB-Journalisten angekreidet. Demnach hatten sie dem Brandenburger Unternehmen nicht die Möglichkeit gegeben, Stellung zu beziehen. So monierten die Richter nach Kocks‘ Darstellung, dass der RBB es versäumt habe, den Betroffenen vor der Veröffentlichung der Beiträge die Möglichkeit einzuräumen, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Auch sei es nicht ausreichend, dass der Fernsehsender Lunapharm-Chefin Susanne Krautz-Zeitel im Vorfeld lediglich um ein Fernsehinterview gebeten habe. Krautz-Zeitel hat zwischenzeitlich angekündigt, sich im Juli selbst ausführlich äußern zu wollen.
Neun Aussagen hat das Gericht allerdings nicht untersagt, sie seien von der Verdachtsberichterstattung gedeckt. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Aussagen über die möglicherweise mindere Qualität der von Lunapharm gehandelten Arzneimittel. Das Informationsinteresse der Bevölkerung sei in diesen Fällen höher einzustufen als das Schutzbedürfnis von Lunapharm. Außerdem habe sich Kontraste in seinen Berichten als Quelle auf den griechischen Gesundheitsminister bezogen.
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