Razzia bei Apothekerverbänden Patrick Hollstein, 19.07.2007 10:23 Uhr
Das Bundeskartellamt hat am Mittwoch die Büros der Apothekerverbände Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen durchsucht. Wie die Financial Times Deutschland (FTD) unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde mitteilt, wird geprüft, ob Apotheken dazu angehalten worden sind, ihre Lieferbeziehungen mit dem Pharmagroßhändler Gehe zu beenden.
„Nach Informationen des Bundeskartellamts besteht der Verdacht, dass verschiedene Landesapothekerverbände ihre Mitglieder zu einer Bezugssperre gegenüber Celesio/Gehe aufgefordert haben, um Celesio/Gehe Umsatzeinbußen zuzufügen, die das Unternehmen dazu veranlassen sollen, von dem Erwerb von DocMorris wieder Abstand zu nehmen", zitiert die FTD den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn.
Inwieweit eine derartige Argumentation nachweisbar ist oder alleine auf einer Beschwerde des betroffenen Konzerns beim Kartellamt beruht, bleibt derzeit völlig offen. Ein ABDA-Sprecher sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass der Boykottvorwurf gerechtfertigt sei. Ein Sprecher des Apothekerverbandes Nordrhein erklärte: "Wir distanzieren uns von dem Vorwurf. Im Rahmen des Verfahrens wird sich die Haltlosigkeit des Verdachts herausstellen."
Tatsächlich haben seit der Übernahme von DocMorris durch den Gehe-Mutterkonzern Celesio zahlreiche Apotheken auf eigenen Entschluss ihre Geschäftsbeziehung zu Deutschlands vormals zweitgrößtem Pharmagroßhändler beendet. Noch am Montag hatte das Handelsblatt den Verlust an Marktanteilen auf 2,6 Prozentpunkte geschätzt.
Ein Boykottaufruf aus wirtschaftlichen Motiven ist nach Paragraph 21 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen untersagt und kann mit Bußgeldern und Schadenersatzzahlungen bestraft werden. Umso ironischer wirkt die Drohung, man werde sich jeden verlorenen Euro zurückholen, mit der Celesio-Vorstand Stefan Meister noch am Montag im Handelsblatt zitiert wurde. Sollten Entschädigungszahlungen der Apotheker an ihren Lieferanten dazu gehören, dürfte dies allerdings der ramponierten Marktstellung des Unternehmens möglicherweise weiter schaden.