Ratiopharm-Boni waren keine Bestechung Alexander Müller, 25.06.2012 15:34 Uhr
Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Bestechlichkeit von Ärzten geht ein jahrelanger Streit über das Verhältnis von Ärzten zu Pharmavertretern zu Ende. Im Fokus stand ein Vertriebskonzept des Generikakonzers Ratiopharm, bei dem Ärzte mit finanziellen Anreizen gelockt wurden, die Produkte des Herstellers bevorzugt zu verordnen. Der BGH hat nun entschieden, dass dies strafrechtlich nicht greifbar ist. Einen „Persilschein“ für Freiberufler – als der der Beschluss jetzt verspottet wird – bedeutet dies aber nicht.
Seit 2005 hatten bundesweit mehrere Staatsanwaltschaften gegen Ärzte und Außendienstler des Generikakonzerns Ratiopharm ermittelt. Die meisten Verfahren waren zwischenzeitlich eingestellt worden. Das Landgericht Hamburg hatte jedoch einen Arzt und eine Pharmareferentin von Ratiopharm verurteilt. Der Mediziner hatte für sein „Verordnungsmanagement“ für alle verschriebenen Präparate eine Prämie von 5 Prozent des Herstellerabgabepreises erhalten.
Aus Sicht der Hamburger Richter war der Vertragsarzt als Beauftragter der Krankenkassen tätig – das Vertriebskonzept war demnach Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Die Außendienstlerin hatte das Urteil nicht hingenommen und das Verfahren vor den BGH gebracht. Laut den obersten Zivilrichtern sind Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Kassen und können nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden.
Ratiopharm reagierte erleichtert auf die Entscheidung des BGH: „Eine Strafbarkeit der beteiligen Ärzte in den zur Anklage gebrachten Fällen aus den Jahren 2002 bis 2005 wurde verneint. Entsprechend scheidet hier auch eine Strafbarkeit von Mitarbeitern von Pharmafirmen in diesen Fällen aus. Wir begrüßen die Entscheidung, weil damit eine langjährige Phase der Rechtsunsicherheit beendet wird“, teilte der mittlerweile zu Teva gehörende Hersteller auf Nachfrage mit.
Der BGH hat in seiner Entscheidung zudem klargestellt, dass es Sache des Gesetzgebers sei, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll.
Denn verboten sind solche Vertriebskonzepte nach heutigem Stand schon laut dem Sozialgesetzbuch. Der Begriff der „unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten“ betrifft auch Apotheken, Pharmahersteller und Großhändler. Eine strafrechtliche Sanktion ist im Gesetz dagegen bislang nicht vorgesehen.
Strafen sind aktuell nur über die jeweilige Berufsordnung möglich und können von Geldstrafen bis zum Verlust der Approbation führen. Während sich die Krankenkassen für den Bereich der Korruption im Gesundheitswesen eine Verankerung im Strafrecht wünschen, sehen die Ärzte hierfür keine Notwendigkeit. Die Regierung sieht vorerst keinen Handlungsbedarf.