Rahmenvertrag

Apotheker: Kassen sollen DocMorris ausschließen

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Berlin -

Neun Apotheker fordern den Ausschluss von DocMorris und der Europa Apotheek Venlo (EAV) von der Versorgung von Kassenpatienten für zwei Jahre. In einem Schreiben an den GKV-Spitzenverband begründen sie dies mit den Verstößen der niederländischen Versandapotheken gegen Vorgaben des Rahmenvertrags.

Während die ABDA derzeit ausschließlich für ein Rx-Versandverbot kämpft, wollen die Apotheker aus Sachsen und Sachsen-Anhalt die Holland-Versender nach den derzeit geltenden Spielregeln schlagen. Die Kanzlei Hönig und Partner hat in ihrem Auftrag ein Gutachten erstellt und den GKV-Spitzenverband zu einer Stellungnahme und zum Eingreifen als zuständige Institution aufgefordert.

Hönig und Partner beziehen sich auf die Bonusmodelle, die DocMorris und die EAV unmittelbar nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) angeboten haben. DocMorris gewährt – je nach Anzahl und Preis der verordneten Arzneimittel – zwischen 2 und 12 Euro Bonus pro Rezept, bei der EAV sind es sogar zwischen 2,50 und 30 Euro. Der EuGH hatte ausländische Versender von der Preisbindung freigestellt.

Damit sind die Holland-Versender nach Auffassung von Rechtsanwalt Fabian Virkus und Steuerberater Gilbert Hönig aber nicht aller Rechte und Pflichten enthoben: „Nach unserer Auffassung sind die von beiden Versandapotheken angewandten 'Bonus'-Modelle als gröbliche und wegen ihres fortdauernden Einsatzes auch als wiederholte Verstöße gegen Rahmenvertrag zu sehen.“

DocMorris hatte in den Anfangsjahren Einzelverträge mit Krankenkassen geschlossen, um mit diesen abrechnen zu können. Zum Verhängnis wurde der Versandapotheke aber nicht der Bruch mit dem Kollektivertragssystem, sondern die Abrechnung mit den Herstellern. Zwar wurden die Herstellerabschläge abgeführt, doch in der Folge stritt mit die Versandapotheke um die Rückerstattung. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied in letzter Instanz, dass DocMorris keinen Anspruch auf Erstattung habe, da diese nicht auf Grundlage der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) abgerechnet worden seien. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil scheiterte.

Auf Drängen der Politik wurde der Rahmenvertrag 2010 auch für ausländische Versandapotheken geöffnet. Der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) einigten sich darauf, dass DocMorris & Co. Teil der Regelversorgung werden können und damit Anspruch auf die Erstattung des Herstellerrabatts erhalten. Allerdings müssten sie sich bei der Rezeptabrechnung an die AMPreisV halten.

Doch weder DocMorris noch die EAV beachteten die Preisbindung und gewährten ihren Kunden weiterhin Rx-Boni. Bis 2012 der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte entschied, dass die AMPreisV für alle gilt – das alte BSG-Urteil wurde mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) versöhnt. Der Gesetzgeber ließ wenig später eine entsprechende Klarstellung folgen. DocMorris scheiterte 2013 erneut vor dem BSG, auf Grundlage der AMPreisV-Bindung eine rückwirkende Erstattung der Herstellerabschläge zu erstreiten. Für das BSG war der seinerzeit noch nicht erfolgte Beitritt zum Rahmenvertrag entscheidend.

Mit dem EuGH-Urteil wurde laut dem Gutachten von Hönig und Partner jetzt wieder der Zustand aus der Zeit vor dem Urteil des Gemeinsamen Senats hergestellt: „Eine ausländische Apotheke kann demnach von den gesetzlichen Regelungen der deutschen Arzneimittelabrechnung nur dann profitieren, wenn sie sich diesen freiwillig unterwirft.“ Sie stünden vor der Wahl: Einzelvertrag ohne Herstellerrabatterstattung oder Rahmenvertrag mit Preisbindung. Eine „Rosinenpickerei“ sei damit ausgeschlossen.

Mit dem Beitritt zum Rahmenvertrag habe sich DocMorris verpflichtet, die AMPreisV einzuhalten. Dabei handele es sich „nicht um eine Wiederholung der gesetzlichen Anforderungen an die Arzneimittelabgabe“. Der Rahmenvertrag habe keinen deklarativen, sondern konstitutiven Charakter, heißt es im Gutachten. In der Folge einfacher ausgedrückt: Mit dem EuGH-Urteil werde DocMorris aus dieser Verpflichtung nicht entlassen.

Der Rahmenvertrag verpflichtet die Apotheken zudem zur Einhaltung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), mit dem beide angesprochenen Bonus-Modelle nicht zu vereinbaren seien. Laut Virkus und Hönig verstoßen die Holland-Versender überdies gegen das Sozialgesetzbuch, da die gewährten „Boni“ de facto mit der gesetzlichen Zuzahlung verrechnet werden könnten. Sinn und Zweck der Zuzahlung sei eine Selbstbeteiligung der Versicherten, die zur Kostensenkung führen solle. Die Apotheken dürften daher nicht auf eine Einziehung verzichten.

Wegen dieser Verstöße fordern die neun Apotheker nun den Ausschluss von DocMorris und der EAV aus der Versorgung. Zu dieser Maßnahme sind die zuständigen Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassenverband jeweils in Abstimmung mit dem DAV tatsächlich berechtigt. Es ist die schärfste Sanktion bei „gröblichen und wiederholten Verstößen“.

„Gröblich“ sind die Verstöße Hönig und Partner zufolge schon deshalb, weil sie vorsätzlich erfolgten: DocMorris habe schließlich selbst den Beitritt zum Rahmenvertrag erkämpft. Daher sei bekannt, dass die Unterwerfung unter die AMPreisV eine „freiwillige Gegenleistung“ für die Erstattung des Herstellerrabatts darstelle. „Wenn diese Versandapotheke aber schon selbst geforderte Vertragsbedingungen nicht einhält, kann ihr erst Recht kein Vertrauen bei der Einhaltung anderer, insbesondere dem Schutz der Versicherten dienender Arzneimittelvorschriften entgegengebracht werden“, heißt es im Schreiben an den GKV-Spitzenverband.

Der EAV sei gleichfalls der Vorwurf des vorsätzlichen Rechtsbruchs zu machen, da die Verstöße von DocMorris bekannt gewesen seien. Wer Preismodelle im Wettbewerb kopiere, übernehme damit auch billigend den Rechtsbruch.

Vor allem aber werde mit den Verstößen gegen den Rahmenvertrag das Solidarprinzip der Kassen ausgehöhlt, weil die Beitragszahler letztlich die Boni finanzierten. Weil Verbraucher versucht sein könnten, sich mehr Arzneimittel als benötigt verschreiben zu lassen, sei zudem die Arzneimittelsicherheit in Gefahr. Überdies steige das Risiko von Rezeptfälschungen.

Zu guter Letzt weisen die Autoren den GKV-Spitzenverband darauf hin, dass die Kassen DocMorris und die EAV problemlos retaxieren könnten. Da beide den Rahmenvertrag nicht einhielten und gegen AMPreisV, HWG und SGB V verstießen, stehe ihnen auch kein Vergütungsanspruch zu.

Sollten die beiden Versender nicht von der GKV-Versorgung ausgeschlossen werden, wäre dies sogar eine Ungleichbehandlung – und damit ein Verletzung des Grundgesetzes. Der Kassenverband soll innerhalb von 14 Tagen Stellung beziehen.

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