Pregabalin-Verträge

OLG: „Wilde Substitution“ nicht auszuschließen

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Berlin -

Die Substitution des Wirkstoffs Pregabalin ist umstritten. Ein Generika-Hersteller hat eine Ausschreibung zweier AOKen gerügt. Denn obgleich der Wirkstoff selbst nicht mehr patentgeschützt ist, besteht für das Originalpräparat Lyrica (Pfizer) für eine Indikation noch bis voraussichtlich Juli 2017 ein Schutz. Der Hersteller sah sich in seinen Rechten verletzt: Die Ausschreibung verleite zu Patentverstößen, zudem sei die Kalkulationsgrundlage für die Bieter unklar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) wies die Beschwerde des Unternehmens im Mai zurück.

Pfizer hat sich die Behandlung neuropathischer Schmerzen mit seinem Antiepilektikum Lyrica durch ein sogenanntes Second-Medical-Use-Patent schützen lassen. Generika zu Lyrica gibt es bereits, denn patentfrei ist der Wirkstoff Pregabalin für die Behandlung von Epilepsie und Angststörungen.

Die AOK Baden-Württemberg und AOK Nordwest hatten Rabattverträge für den Wirkstoff Pregabalin über den Zeitraum 1. April 2016 bis 31. März 2018 ausgeschrieben. Dabei wurde der Wirkstoff in zwei Lose aufgeteilt: Eines für Generika, die ausschließlich für die beiden patentfreien Indikationen zugelassen wurden. Dazu ein weiteres für Arzneimittel, die nur für die patentgeschützte Anwendung eine Zulassung haben. Durch diese Vorgaben wurde das Originalpräparat Lyrica als Bieter ausgeschlossen.

Der klagende Hersteller hat ebenfalls ein Pregabalin-Generikum im Sortiment, hatte sich aber nicht an der Ausschreibung beteiligt. Am 20. Oktober 2015 rügte der Hersteller die Ausschreibung als vergaberechtswidrig. Die Angebotskalkulation sei für die Bieter unklar. Darüber hinaus werde nicht deutlich, wie der Rabattvertrag in die Apothekensoftware eingehen würde. Daher stellte das Unternehmen im November 2015 einen Nachprüfungsantrag für die Ausschreibung.

Der Generika-Hersteller argumentierte, dass die Rabattausschreibung des Wirkstoffs zwangsläufig Patentverstöße „in erheblichem Umfang“ nach sich ziehen müsse. Zudem würde die Apothekensoftware zwei Rabattverträge zu einem Wirkstoff anzeigen, was bei den Apothekern noch mehr Verwirrung und Fehler verursachen würde. Darüber hinaus würde der GKV-Spitzenverband die Verträge gar nicht melden, da sie auf eine bestimmte Indikation beschränkt wären, so der Kläger. Somit würde das Ergebnis gar nicht an die Apothekensoftware gemeldet werden, was die Umsetzung des Rabattvertrags unmöglich mache.

Das Verordnungsverhalten der Ärzte mache es zudem unklar, wie viel Pregabalin tatsächlich abgegeben würde. Es könnte zu Lieferausfällen kommen, da die Apotheker auch für die geschützte Indikation ein Generikum abgeben könnten – die Hersteller damit aber nicht rechneten. Außerdem sei das Ende des Rabattvertrags aufgrund der unklaren Patent-Situation nicht abzusehen für die Bieter, was zu falschen Vorstellungen über den Vertrag führe.

Vor dem OLG Düsseldorf hat sich bereits die Vergabekammer des Bundes mit dem Fall beschäftigt. Diese entschied im Dezember 2015, den Nachprüfungsantrag des Herstellers zurückzuweisen. Dagegen legte der Kläger Beschwerde beim OLG ein.

Das Gericht hielt die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer für unberechtigt. Da der klagende Hersteller selbst nicht Inhaber des Patents für die Pregabalin-Indikation ist, könne er keine Patentverletzungen anführen: Er wird in seinen eigenen Rechten dabei schließlich nicht verletzt.

„Wilde Substitutionen“ durch Ärzte, die sich mit dem Patentrecht nicht auskennen, seien nicht völlig auszuschließen. Aber die Rechtsverletzungen würden mit dem Rabattvertrag nicht zusätzlich gefördert, erklärten die Richter. Tatsächlich würden die Verstöße womöglich nach dem Vertrag sogar zurückgehen, da die Ärzte im Zuge des Rabattvertrags über den bestehenden Patentschutz erneut informiert würden. Das Gericht weist darauf hin, dass der Rabattvertrag nicht ausschließe, dass Ärzte unter Ausschluss von Aut-idem das Originalpräparat verordneten.

Die AOK Baden-Württemberg und Nordwest wollen dem GKV-Spitzenverband die Rabattverträge ohne Indikationsbeschränkung melden, wodurch sie in die Apothekensoftware aufgenommen werden können. Bislang sind die Verträge aber nicht gelistet, die AOK Baden-Württemberg wollte sich auf Nachfrage „zu laufenden Verfahren“ nicht äußern.

Die Bieter haben laut Urteil eine ausreichende Kalkulationsgrundlage für ihre Angebote: Die Kassen stellen ihnen Daten zur Verfügung, die Aufschluss darüber geben, wie der Wirkstoff in der Vergangenheit nach Indikationen geordnet abgegeben wurde. Zu mehr seien sie nicht verpflichtet, urteilten die Richter in Düsseldorf. Dass das Ende der Rabattverträge wegen des auslaufenden Patents unklar sei, ergebe sich aus den Marktbedingungen und könne von den ausschreibenden Kassen nicht beeinflusst werden, so die Vergabekammer. Gewisse Kalkulationsunsicherheiten müsse der Bieter aushalten.

Da Apotheker weder vom Patienten noch vom Arzt die Indikation eines Arzneimittels erfahren müssen, könnten sie fälschlicherweise ein Pregabalin-Generikum abgeben. Laut Patentgesetz kann ein solcher Verstoß allerdings nur geahndet werden, wenn die Patentverletzung nachweislich bekannt oder offensichtlich ist.

In Großbritannien hat sich Pfizer bei den Apothekern und Ärzten für das komplizierte Second-Medical-Use-Patent für Lyrica entschuldigt. Der indikationsbezogene Patentschutz habe in Praxen und Apotheken für einen erhöhten Arbeitsaufwand gesorgt, wenn etwa Generika und nicht Lyrica für die patentierte Anwendung verschrieben wurden. Die britischen Ärzte hatten sich daher gegen eine Verlängerung des Patentschutzes für die Indikation ausgesprochen.

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