Substitution

Hess: Wenig Spielraum im Schiedsverfahren

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Berlin -

Manchmal sind Retaxationen besonders ärgerlich – etwa wenn im Notdienst der Arzt einfach nicht zu erreichen war und der Patient ein Medikament brauchte. Aus Sicht von Dr. Rainer Hess, der die Schiedsstelle zu Nullretaxationen leiten wird, muss der Patient versorgt werden. Im Notfall sollen Apotheker daher auch ohne Rücksprache mit dem Arzt ein anderes als das verordnete Arzneimittel abgeben dürfen – auch bei den Wirkstoffen der Aut-idem-Liste. Bei den Rabattverträgen sieht Hess jedoch wenig Spielraum im anstehenden Schiedsverfahren.

Apotheken sind laut Sozialgesetzbuch (SGB V) prinzipiell dazu verpflichtet, ein preisgünstiges Arzneimittel abzugeben. In Fällen, in denen ein Austausch medizinisch nicht sinnvoll ist, ist Hess zufolge grundsätzlich der Arzt dafür verantwortlich, die Substitution auszuschließen. Verbiete ein Arzt den Austausch nicht, hafte er, erklärte Hess beim Apothekerforum des Apothekerverbands Brandenburg (AVB) in Werder.

Dass entlaste den Apotheker aber nicht von seiner Prüfpflicht. Denn in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist geregelt, dass Arzneimittel nicht abgegeben werden dürfen, wenn eine Verschreibung einen erkennbaren Irrtum enthält oder sich Bedenken ergeben. In diesem Fall müsse die Unklarheit beseitigt werden.

Aus Sicht von Hess ist der Apotheker zwar nicht verpflichtet, „als Detektiv auf die Reise zu gehen“ und Nachforschungen zum Patienten zu machen, bevor er ein Präparat abgebe. Anders sehe es aber aus, wenn der Apotheker den Patienten kennt oder ahnt, dass es Probleme geben könnte: „Wenn er begründete Zweifel hat, dann würde ich das Haftungsrisiko bejahen“, so Hess. Wenn der Apotheker beispielsweise wisse, dass der Patient eine Organtransplantation hinter sich habe, müsse er den Arzt kontaktieren.

Das ist allerdings nicht immer ganz einfach – wie schon die Überarbeitung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) mit ihren Folgen zeigte. Wenn der Arzt nicht gefunden oder erreicht werden könne, müsse der Apotheker das Präparat abgeben dürfen, so Hess. „Das wäre ein Fall, den wir beim Schiedsamt reinschreiben könnten.“ Apotheker und Patienten müssten die Sicherheit haben, dass das nötige Arzneimittel abgegeben werden dürfe – auch bei Wirkstoffen der Aut-idem-Liste.

Bei Retaxationen wegen nichtbeachteter Rabattverträge können sich die Apotheker aus Sicht von Hess aber keine Hoffnungen machen. Schließlich müssten die Krankenkassen nur dann zahlen, wenn die Leistung korrekt erbracht worden sei. Werde ohne Grund ein anderes als das Rabattarzneimittel abgegeben, sei die Leistung falsch erbracht worden, das Vertragsverhältnis damit nicht erfüllt und auch keine Vergütung fällig. Das hatte zuletzt auch das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt.

Damit gehe es den Apothekern wie den Ärzten, erklärte Hess. Das BSG habe auch schon klargestellt, dass Kassen eine Off-label-Verordnung nicht zahlen müssten – und damit einen Regress von mehreren Tausend Euro für zulässig erklärt. Auch der Hinweis, dass der Patient die Leistung, im Fall der Apotheke das Präparat, erhalten habe, ziehe laut BSG nicht, so Hess. Nicht korrekt sei nicht korrekt – damit müssten die Apotheker leben.

Im Schiedsverfahren zu einer anderen Einschätzung zu kommen, sei mit dem BSG-Urteil im Rücken „verdammt schwer“. Hinzu komme, dass es im Schiedsverfahren laut GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ohnehin nur um Formfehler geht. In der Begründung zu dem Gesetz heißt es, Apotheker sollten in den Fällen vor Retaxationen „auf Null“ geschützt werden, in denen Versicherte das nach den Regelungen des SGB V abzugebende Arzneimittel erhalten haben.

„Dadurch unterscheiden sich diese Fälle von denjenigen, in denen Apotheken anstelle eines Rabattvertragsarzneimittels pflichtwidrig ein anderes Arzneimittel abgeben“, heißt es in der Begründung weiter. Auch dort wurde Bezug genommen aus das BSG-Urteil. „Der Spielraum des Schiedsamtes ist somit relativ eng“, so das Fazit von Hess.

Eine Alternative ist aus seiner Sicht das Pilotprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen, weil man sich dort auf eine Medikamentenliste verständigt. Hess ist der Meinung, dass Ärzte und Apotheker das Problem auf diese Weise einvernehmlich lösen könnten – räumt aber auch ein, dass die Politik mit dem E-Health-Gesetz offenbar einen anderen Weg verfolgt.

Eine weitere Alternative zu den Rabattverträgen wären aus seiner Sicht auch niedrigere Festpreise gewesen. Dass es in einem System, das die Entbürokratisierung und den Wettbewerb groß schreibe, einen „Scheinwettbewerb“ mit Rabattverträgen gebe, hält Hess für eine Zumutung. Festbeträge hätten seiner Meinung nach Einsparungen über alle Kassen hinweg gebracht und die Auswahl erhalten.

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