Rabattverträge: Apotheken kritisieren DAK-Kontrolle Carolin Ciulli, 07.02.2022 10:57 Uhr
Apotheken kommen vielerorts im Zuge der Pandemie an ihre Grenzen. Die Belastung der Mitarbeiter:innen ist hoch. Apothekerin Doris Grünebaum aus Hessen erhielt im laufenden Betrieb unangemeldeten Besuch von der DAK-Gesundheit. Als der Vertreter sie über die „angeblich hohen entgangenen Ersparnisse“ der Kasse aufgrund der nicht erfüllten Rabattverträge aufklären wollte, staunte sie nicht schlecht. Auch andere Krankenkassen schickten bereits Kontrolleure in die Apotheken.
Vergangene Woche erhielt Grünebaum in der Easy-Apotheke Bruchköbel, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Andreas Grünebaum betreibt, „ungebetener Besuch“. Der DAK-Mitarbeiter sei „völlig ohne Terminabsprache im laufenden Betrieb am frühen Nachmittag“ gekommen, sagt sie. Zu dieser Zeit versorge eine Mitarbeiter:in im Handverkauf mehr als 20 Kunden pro Stunde.
Fragliche Statistik
Präsentiert wurde ein „prächtiges Kuchendiagramm“, sagt Grünebaum. Demnach habe die Apotheke „in einem nicht memorierten Zeitraum von allen im Anteil überhaupt nicht spezifizierten, nicht rabattkonform abgegebenen Arzneimitteln 60 Prozent mit ‚Nichtverfügbarkeit‘ und den Rest mit ‚dringlich‘ oder ‚pharmazeutischen Bedenken‘ abgeben hätten“, sagt sie. Merkwürdig sei dabei die Datengrundlage gewesen. Der Mann habe nicht genannt, wie hoch der Anteil der nicht rabattkonform abgegeben Packungen sei, sondern nur den prozentualen Anteil der Begründungen. „Nur von diesen wurde der Anteil im Kuchendiagramm gezeigt. Da wurde also etwas dramatisiert, was überhaupt nicht existiert.“ Es hätten auch nur zehn Packungen von nicht rabattkonform abgebenden Arzneimitteln sein können.
Argumente seitens Grünebaum, dass die Entwicklung überwiegend auf die Lieferengpässe der Hersteller im Generikamarkt zurückgehe, seien abgewiesen worden: Die Hersteller hätten keine Defekte gemeldet, habe die Antwort gelautet. „Es erfolgte zu unserer Verwunderung auch noch die Frage, ob man denn nur „alles vom Großhandel“ beziehen würde.“ Zudem sei erklärt worden, dass die Abgaberegeln angesichts der Pandemie derzeit gelockert seien.
Warum die Wahl ausgerechnet auf die Easy-Apotheke gefallen ist, können sich die Inhaber nicht erklären. Grünebaum betont, dass die Apotheke auch aufgrund der vielen Streurezepte über ein „außerordentlich großes Warenlager“ auch in Hinblick auf die gelagerten Rx-Packungen verfüge. „Dieses Warenlager wird dynamisch über eine ausgefeilte Software verwaltet. Alleine im Monat Januar 2022 haben wir 58 neue Rx-Arzneimittel präventiv neu auf Lager gelegt, um die Lieferverträge der Krankenkassen zu erfüllen.“
Zudem habe die spätere Recherche ergeben, dass in einem Zeitraum von zwölf Monaten während Covid-19 und seinen Besonderheiten bei der Abgabe, gerade einmal in knapp über 9 Prozent vom Rabattvertrag der DAK wegen Nichtverfügbarkeit abgewichen worden sei. Vor Covid-19 im Jahr 2019 waren es im Vergleichszeitraum 8,5 Prozent. „Wir reden da über eine Anzahl von Rezepten in sehr überschaubarer Größenordnung und sehr geringem Umsatzvolumen“, sagt Grünebaum.
Der DAK-Mitarbeiter habe die Apothekerin zudem gefragt, ob sie „nicht auch einen Botendienst hätten“. Doch dieser nütze nichts, wenn das Arzneimittel gar nicht verfügbar sei oder dringend zur Einnahme benötigt werde, erklärte die Pharmazeutin. Der Botendienst sei selbstverständlich ein wichtiges Serviceangebot und die Flotte für die drei Betriebe sei unlängst mit vier E-Autos ausgestattet worden, um die Kundschaft mit Blick auf das E-Rezept mit dringend benötigten Arzneimitteln zu versorgen.
Auch der Zeitpunkt sei unpassend gewesen, kritisieren die Inhaber. „Die Belastung der Mitarbeiter im Handverkauf ist derzeit besonders hoch.“ Die hohe Kundenfrequenz sei mit einem signifikanten Krankenstand in Folge von Covid-19 und der Omikron-Variante verbunden. Die Apothekerin habe dem Mann letztlich signalisiert, dass sie sich um die wartenden Apothekenkund:innen kümmern müsse.
Die Krankenkasse verteidigt das Vorgehen: „Wir haben bisher fast ausschließlich positives Feedback von den Apothekerinnen und Apothekern bekommen“, sagt ein DAK-Sprecher. Seit dem Sommer 2021 würden sogenannte Praxisbetreuer:innen in ausgewählte Apotheken geschickt. Insgesamt seien bundesweit 2000 Apotheken besucht worden. Die Aktion laufe planmäßig bis März.
DAK will Austausch stärken
Mit den Besuchen will die DAK den Apotheken gegenüber laut eigenen Angaben „ein Gesicht“ geben und ein Angebot zum persönlichen Austausch unterbreiten. „In den Gesprächen wird neben allgemeinem Feedback der Apotheken gegenüber der DAK-Gesundheit auch das Handling der Rabattverträge im Apothekenalltag angesprochen, sowie der Bedarf von Unterstützung bei der Umsetzung abgefragt“, so der Sprecher.
Dass während der Pandemie Präsenzbesuche durchgeführt werden, sieht die DAK nicht kritisch: „Da Apotheken mit Publikumsverkehr sich ebenso strikt an die Hygieneregeln halten wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sehen wir hier generell keine Probleme“, so der Sprecher. Falls ein persönlicher Austausch nicht gewünscht sei oder es die Infektionslage nicht zulasse, könne auch auf Online-Treffen ausgewichen werden. „Außerdem wurden die persönlichen Besuche zwischenzeitlich ausgesetzt, als die Infektionslage dies nicht erlaubte. Aus unserer Sicht ist ein persönliches Gespräch vis-à-vis jedoch die erste Wahl, wenn es um die Möglichkeit eines offenen Austauschs geht.“