"Kostendeckung muss sichergestellt werden" APOTHEKE ADHOC, 18.05.2010 16:07 Uhr
Deutschlands Pharmagroßhändler wollen nach einem neuen Vergütungssystem bezahlt werden. Analog zu den Apotheken fordern die Firmen eine Fixpauschale, die ihre Kosten deckt, und einen prozentualen Aufschlag, aus dem Gewinne und Rabatte finanziert werden. APOTHEKE ADHOC sprach mit Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper über das neue Modell zur Vergütung des Großhandels, Einkaufsrabatte für Apotheken und ausländische Referenzmärkte.
ADHOC: Was stimmt nicht mit der Großhandelsvergütung?
TRÜMPER: Die Großhandelsvergütung, wie wir sie heute kennen, wurde auf einem Sortiment-Mix des Jahres 2003 aufgebaut. Wir alle wissen, dass es in der Zwischenzeit durch Gesundheitsreformen, durch Gesetze, durch Veränderungen eine totale Verlagerung gegeben hat hin zu preisgünstigeren Produkten. Das heißt, unsere Marge wird immer geringer, weil wir immer mehr preiswerte Produkte ausfahren müssen. Bei diesen ist zwar durch die degressive Spanne unser Anteil prozentual am höchsten, aber absolut gesehen am niedrigsten: Wenn sie heute ein Produkt für 30 Cent ausfahren, bedeutet das null Marge für den pharmazeutischen Großhandel, obwohl sie theoretisch 15 Prozent beträgt.
ADHOC: Aber Sie haben doch Ihren Belieferungsanspruch?
TRÜMPER: Wir haben natürlich einen Zufluss von Produkten aus dem hochpreisigen Bereich. Aber sie dürfen nicht vergessen, dass im hochpreisigen Bereich auch die Kosten viel höher sind. Wir müssen die Produkte einkaufen, das Lagerungsrisiko ist sehr groß. Sie können davon ausgehen, dass die mittlere Spanne im Pharmagroßhandel heute bei 5,95 Prozent liegt. Und bei diesen Hochpreisprodukten, die durch den Belieferungsanspruch jetzt gekommen sind, liegt die Spanne bei etwa 3,6 Prozent.
ADHOC: Gibt es noch Rosinenpicker?
TRÜMPER: Ja. Rosinenpicker gibt es nach wie vor, und zwar im Hochpreisbereich. Es gibt immer noch Hersteller, die sehr daran interessiert sind zu wissen, wo ihre Produkte hingehen. Da ist natürlich die Direktbelieferung das einzig probate Mittel, und es gibt ja immer noch die Möglichkeit für die Hersteller, auf die gesamte Großhandelsmarge zurückzugreifen. Wir kämpfen im Markt nach wie vor mit ungleichen Spießen, und das muss irgendwo aufgehoben werden. Wettbewerb ist gut, aber Wettbewerb mit gleich langen Spießen.
ADHOC: Wie sieht Ihr Vorschlag aus?
TRÜMPER: Unser Vorschlag sieht so aus, dass wir aufgrund des Sicherstellungsauftrages, den wir im vergangenen Jahr bekommen, natürlich auch eine Sicherstellung dahingegen haben müssen, dass unsere Kosten erstattet werden. Man kann nicht über die gesamte Großhandelsmarge verfügen. Deswegen machen wir den Vorschlag, der ja auch im Eckpunktepapier so aufgenommen wurde, dass es einen Fixbetrag gibt, der unsere Kosten abdeckt - denn über Kosten können sie nicht verhandeln - und einen variablen Aufschlag, der unser Risiko als Händler abdeckt und der auch den Unternehmensgewinn darstellt.
ADHOC: Steht noch 93 Cents plus 3 Prozent?
TRÜMPER: Nein, von der Größenordnung sind wir ganz weg gekommen, vor allem von den 93 Cents. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, der diversifiziert ist. Das ist auch zurückzuführen auf die Diskussion, die in der letzten Legislaturperiode geführt wurde. Man muss immer aus dem lernen, was geschehen ist, und der Vorschlag ist gescheitert. Wir haben neue Zahlen, damals der Vorschlag basierte auf dem Produktmix von 2007, teilweise 2008, jetzt haben wir 2009er Zahlen. Da sieht das alles sowieso wieder etwas anders aus durch die Veränderungen. Und wir tragen auch der Tatsache Rechnung, dass auch im unteren Bereich Rosinenpickerei entstehen könnte.
ADHOC: Für welche Produkte fordern Sie höhere Pauschalen?
TRÜMPER: Es gibt Produktgruppen, die sehr hohe Kosten bei uns erzeugen. Die sollte man aus der Mischkalkulation zugunsten der anderen Produkte herausnehmen. Das betrifft vornehmlich die Betäubungsmittel, Kühlkettenprodukte und Kühlprodukte.
ADHOC: Helfen Ihnen Forderungen, Apothekenrabatte zu streichen?
TRÜMPER: Natürlich kommen die uns nicht entgegen, vor allem weil diese Forderungen auf einer falschen Einschätzung der Sachlage beruhen. Die Herrschaften, die sich darüber äußern, kennen die Strukturen und das Geschäft des pharmazeutischen Großhandels nicht. Ich umschreibe das gerne mit einem plastischen Beispiel: Die GKV hat absolut keinen Anspruch auf Rabatte, die wir auf Bettflaschen und Zahnbürsten geben. Der pharmazeutische Großhandel betreibt nun einmal ein Geschäft über das Gesamtsortiment, und die Herrschaften, die sich über Rabattgrößen - welche Größenordnung auch immer - äußern, meinen, es handele sich um das GKV-Sortiment, und das ist eben nicht so.
ADHOC: Könnte der Großhandel nicht bei den Touren sparen?
TRÜMPER: Nein. Das wird ja immer wieder in die Diskussion gebracht, weil die Statistik sagt, dass wir dreimal am Tag in die Apotheke fahren. Aber wenn Sie das volkswirtschaftlich betrachten, dann wird sehr schnell klar, dass diese Forderung eigentlich unsinnig ist. Wir haben 109 Lager der im Phagro zusammengeschlossen Pharmagroßhandlungen, in denen wir im Schnitt zwischen 60.000 und 80.000 Produkte lagern. Eine Apotheke, und davon gibt es 21.500, hat noch nicht einmal ein Zehntel dessen als Lagervorrat. Würden wir also weniger oft in die Apotheken fahren, müsste der Lagervorrat in 21.500 Apotheken erhöht werden. Es ist doch volkswirtschaftlich wesentlich sinnvoller, diesen Vorrat in nur 109 Lagern konzentriert zu haben und dafür dreimal am Tag in die Apotheke zu erfahren. Das können sie ganz einfach nachrechnen. Volkswirtschaftlich bringt der Großhandel eine ganz enorme Leistung. Es macht überhaupt keinen Sinn, Touren zu reduzieren, auch wenn das auf den ersten Blick so scheint.
ADHOC: Was können wir vom Ausland lernen?
TRÜMPER: Da sprechen Sie mich auf ein ganz beliebtes Thema an. Auf jeder Veranstaltung, die nur einen Hauch von Gesundheitswirtschaft hat, tritt irgendein Redner auf, der Bilder aus Großbritannien, manchmal auch aus Schweden, der Schweiz oder den Niederlanden zeigt und meint, wie toll dort alles läuft. Aber das wird immer nur aus der Brille der Handelnden in der Distributionskette gesehen. Aus der Sicht des Patienten sieht das anders aus. Gehen Sie doch einmal in die Länder, die uns als Trendsetter vorgehalten werden. Fragen Sie mal in England Leute und erzählen sie denen, dass sie in Sachen Arzneimitteldistribution als Trendsetter für Deutschland angesehen werden. Die werden Sie auslachen. In den Ländern, die uns als Beispiel vorgehalten werden, wären die Leute froh, wenn sie eine Arzneimittelversorgung wie in Deutschland hätten.