Im Wettbewerb zwischen Apotheken sieht die Monopolkommission noch Effizienzreserven. Seit Jahren fordert das Beratungsgremium der Bundesregierung Apothekenketten. Jetzt setzen sich die Experten für Pick-up-Stellen ein. APOTHEKE ADHOC sprach mit dem Vorsitzenden Professor Dr. Justus Haucap über Wettbewerbsdruck, persönliche Haftung und den Sinn der Apothekenpflicht.
ADHOC: Warum sind 21.500 Apotheken ein Fall für die Monopolkommission?
HAUCAP: Die Monopolkommission identifiziert allgemein Märkte, auf den Wettbewerbsprobleme bestehen oder aus unserer Sicht weitere Effizienzpotentiale durch Wettbewerb gehoben werden können. Wir haben sicherlich kein Monopol vorliegen auf dem Apothekenmarkt, aber es gibt doch signifikante Markteintrittsbarrieren wie zum Beispiel das Mehr- und Fremdbesitzverbot oder das geplante Verbot von Pick-up-Stellen.
ADHOC: Warum sind Sie ein Fan von Pick-up-Stellen?
HAUCAP: Ich bin kein Fan von Pick-up-Stellen, aber ich denke, der Verbraucher sollte zumindest in Grenzen die Möglichkeit haben zu entscheiden, wie er seine Arzneimittel beschaffen möchte. Das kann einen gewissen Wettbewerbsdruck auslösen. Und Wettbewerb führt dazu, dass Anbieter sich disziplinieren und tendenziell kundenfreundlich verhalten. Wenn die Kunden wechseln können, hält das die Leute auf den Fußspitzen.
ADHOC: Vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen?
HAUCAP: Es sind sicherlich ganz unterschiedliche Vertriebskanäle, das gibt es auch in anderen Bereichen des Handels. Manche Produkte werden sicherlich nie über Pick-up-Stellen vertrieben werden, weil die Patienten das viel lieber bei einem Apotheker kaufen werden. Wenn man aber nicht einen Wettbewerb der Vertriebskanäle zulässt, dann wird sich nie herausstellen, was tatsächlich besser und schlechter ist.
ADHOC: Ist Wettbewerb wichtiger als die Versorgung?
HAUCAP: Das lässt sich nicht trennen, Wettbewerb sollte eigentlich zu einer guten Versorgung führen. Wettbewerb ist kein Ziel an sich. Wettbewerb ist nur sinnvoll, wenn er dem Verbraucher, dem Patienten, dem Versicherten dient. Und dass ist derjenige, der besonders schutzbedürftig ist. Der Apotheker an sich ist nicht schutzbedürftig, es kommt immer darauf an, was am Ende beim Patienten dabei herauskommt.
ADHOC: Sind Sie deshalb gegen das Fremdbesitzverbot?
HAUCAP: Wir sehen keinen Grund dafür. Wir sehen gute Gründe dafür, dass Apotheken von Apothekern betrieben werden. Warum das gleich an den Besitz gekoppelt sein muss, erschließt sich überhaupt nicht, das ist eine Überregulierung.
ADHOC: Ist die persönliche Haftung egal?
HAUCAP: Natürlich gibt es Bedarf für unternehmerische Verantwortung, deswegen möchte auch niemand eine Wild-West-Deregulierung des Marktes. Es sind nach wie vor Standards einzuhalten, was etwa die Ausbildung von Apothekern angeht; für das Personal, das in Apotheken arbeitet oder in anderen Abgabestellen. Das ist sicherlich vernünftig, eine minimale Regulierung einzuhalten. Die Frage ist nur: Wie hoch und wie intensiv muss die sein, und übertreiben wir es nicht gerade ein bisschen?
ADHOC: Wie ist Ihr Verhältnis zur ABDA?
HAUCAP: Ich habe kein Verhältnis mit denen (lacht). Ich würde mir wünschen, dass die die Chancen ein bisschen positiver bewerten würden an manchen Stellen. Die scheinen mir die Risiken etwas über zu bewerten, aber das ist verständlich, wenn man in erster Linie diejenigen organisiert, die auch tatsächlich etwas zu befürchten haben vom Wettbewerb. Aus meiner Sicht ist die Apothekenlandschaft mittlerweile sehr heterogen, die einen sehen die Chancen, die anderen sehen eher die Risiken.
ADHOC: Wird Arzneimittelsicherheit nur vorgeschoben?
HAUCAP: Die Arzneimittelsicherheit ist wichtig, aber man darf es auch nicht übertreiben. Die Forderung, dass Pick-up-Stellen per se verboten werden müssen, weil sonst die Arzneimittelsicherheit gefährdet wird, dann scheint mir das über das Ziel hinaus zu schießen. Man könnte auch bestimmte Mindestanforderungen stellen, was zum Beispiel das Personal oder die Lagermöglichkeiten angeht. Wenn man sagt, nur durch ein komplettes Verbot ist die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, dann ist es ein vorgeschobenes Argument, was aber nicht heißt, das Arzneimittelsicherheit an sich kein hohes Gut ist.
ADHOC: Ist die Apothekenpflicht überflüssig?
HAUCAP: Bei der Apothekenpflicht scheint in Deutschland ein großes Vorsichtsprinzip zu herrschen. Nikotinpflaster oder Aspirin etwa sind Produkte, die im europäischen Ausland zum Teil auch nicht apothekenpflichtig sind. Man kann immer den Fall konstruieren, dass jemand tatsächlich Unfug damit getrieben hat. Das wird aber effektiv auch nicht durch Apotheken verhindert. Wenn man in seinem persönlichen Umfeld mal fragt, wie häufig jemand intensive Beratung erfährt, wenn er Aspirin einkauft, dann ist das in meiner vielleicht selektiven Wahrnehmung eher selten der Fall. Und es stellt sich schon die Frage, ob damit nicht zu vorsichtig umgegangen wird und ob man diese Produkte nicht freigeben könnte, die in Deutschland ja relativ teuer sind.
ADHOC: Haftet man als Ökonom für seine Vorschläge?
HAUCAP: Nein, dafür haftet man nicht, weil man auch nicht das Recht hat, sie umzusetzen. Das ist schließlich die Politik. Was tragisch ist: Die Politik haftet auch nicht dafür. Es wäre schön, wenn die Politiker für die Umsetzung oder auch Nichtumsetzung von Vorschlägen haftbar gemacht werden würden. Im übrigen ist es auch so, dass für die Verschreibung der Medikamente der Arzt haftet und nicht der Apotheker, und eine falsche Medikation dem Arzt angelastet wird und nicht dem Apotheker, der relativ selten mit Kunstfehlerprozessen überzogen wird.
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