Nach dem Scheitern von Parteichef Armin Laschet startet die CDU den Prozess zur Neuwahl eines Nachfolgers. Bislang sind einige Namen im Spiel, doch noch niemand hat den Hut in den Ring geworfen.
Schafft Friedrich Merz mit einem Team von Frauen und Männern an seiner Seite doch noch das Comeback? Oder gelingt es Norbert Röttgen, die meisten CDU-Mitglieder von sich zu überzeugen? Tritt eine Frau an oder gewinnt ein Überraschungskandidat, den niemand auf dem Zettel hat? Schon zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren sucht die CDU einen neuen Vorsitzenden. Seit Samstag können Bewerber nominiert werden, vom 4. bis zum 17. Dezember soll eine Mitgliederbefragung Klarheit über die Nachfolge des nach nur einem Jahr als Parteichef gescheiterten Armin Laschet bringen.
Schon jetzt scheint ziemlich sicher: Einen Superstar werden die Christdemokraten als Laschet-Nachfolger kaum finden. Mit Merz (65) und Röttgen (56) sind Kandidaten im Gespräch, die nach dem angekündigten Rückzug der damaligen Kanzlerin Angela Merkel vom Vorsitz 2018 schon im Rennen, aber teils mehrfach gescheitert waren. Merz hatte 2018 in einer Stichwahl gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verloren, im Januar dieses Jahres dann gegen Laschet. Röttgen erzielte damals im ersten Wahlgang immerhin einen Achtungserfolg.
Etliche in der Partei sagen nun: Nicht die schon wieder. Und warum treten nur Männer aus Nordrhein-Westfalen an? Hört man sich in der CDU um, bezweifeln viele, dass Merz der richtige Kandidat für die notwendige Erneuerung der Partei ist. Zudem wäre der Sauerländer bei einer möglichen Kanzlerkandidatur im Jahr 2025 schon 69 Jahre alt. Doch Alternativen zeichnen sich bislang kaum ab.
Das gilt auch für Gesundheitsminister Jens Spahn (41) – von dem es in der Partei heißt, es sei gut möglich, dass er auf eine erneute Kandidatur verzichte. Zu unwahrscheinlich sei es, dass er sich bei den Mitgliedern durchsetzen könne. Mit seiner Corona-Politik hat er sich auch in den eigenen Reihen nicht nur Freunde gemacht. In der neuen Legislatur drohen ein Untersuchungsausschuss und damit neue Negativschlagzeilen. Nicht unbedingt das, was eine Partei auf der Suche nach Ruhe und einem neuen inhaltlichen Profil gebrauchen kann.
Als Kompromisskandidat wird in der CDU öfter Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (53) genannt, auch dem Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann (44) wurden zeitweise Chancen eingeräumt. Linnemann ist zuletzt allerdings vor allem als Mitglied in einem Team Merz gehandelt worden, womöglich als neuer Generalsekretär.
Brinkhaus dürfte sehr genau seine Chancen abwägen – denn viele sehen Merz bei den rund 400 000 Mitgliedern in der Poleposition. Brinkhaus könnte darauf setzen, wenigstens den Fraktionsvorsitz zu verteidigen. Doch nach einem Kompromiss in einem drohenden Machtkampf um seinen Posten war er kürzlich nur bis April gewählt worden. Danach könnte ein neuer Vorsitzender nach dem machtvollen Posten greifen.
Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl mit einem historisch schlechten Ergebnis zeigt sich die CDU zerrissen und verunsichert. Welche Richtung will die Partei in der Opposition einschlagen – eher konservativer als zu Zeiten der Kanzlerin Angela Merkel, wie es sich viele von Merz versprechen? Oder soll sie doch lieber versuchen, Wechselwähler in der Mitte zurückzuholen, die am 26. September in Scharen davongelaufen waren? Röttgen dürfte auf jene zielen, die bisher im Merkel-Lager zu verorten waren.
Erfahrene in der CDU glauben, die Partei brauche nun jemanden an der Spitze, der dreierlei vereint: Sie oder er muss verhindern, dass sich die CDU bei einem knappen Ausgang der Mitgliederbefragung über den Vorsitz weiter spaltet und zerlegt. Der neue Vorsitzende müsse die verschiedenen Lager befrieden, neben den Konservativen und den Mitte-Liberalen auch die Frauen stärker als bisher einbinden sowie den Wirtschafts- und den Sozialflügel.
Außerdem müsse der oder die Neue an der Spitze dafür arbeiten, dass die CDU endlich wieder für die Wähler erkennbar wird – zu lange schon liegt die Arbeit an den Inhalten und am Profil brach.
Dass dies nicht im Alleingang zu machen ist, dürfte allen mit Ambitionen auf die Parteiführung klar sein. Seit längerem würden sich Merz und Röttgen darum bemühen, beispielsweise jüngere Frauen für eine Zusammenarbeit in ihren anvisierten Teams zu bewegen, heißt es – doch so einfach sind die Gespräche wohl nicht. Denn wer mag sich derzeit auf einen Kandidaten festlegen, wenn beim Sieg des anderen am Ende droht, dass man leer ausgeht?
So sollen Merz wie Röttgen Kontakt zu der als liberal geltenden schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien aufgenommen haben. Ihr wird – wie der stellvertretenden Unionsfraktionschefin Katja Leikert aus Hessen – das Amt der Generalsekretärin zugetraut. Doch Prien, heißt es, wolle nicht auf das Ministeramt verzichten.
Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) ermunterte am Wochenende ausdrücklich Parteifreundinnen, für den Parteivorsitz zu kandidieren. „Wenn keine Frau antritt, wäre das kein gutes Zeichen“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Und brachte neben Prien die bisherigen Staatsministerinnen Annette Widmann-Mauz und Monika Grütters ins Spiel.
Doch auch andere Frauen werden sich Chancen ausrechnen, in der künftigen CDU-Spitze eine wichtige Rolle zu spielen. Die erst vor zwei Jahren zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählte Niedersächsin Silvia Breher dürfe erneut antreten wollen. Auch die bisherige stellvertretende Fraktionschefin und Digitalpolitikerin Nadine Schön aus dem Saarland gilt als Talent mit Zukunft. Genauso wie die frisch in den Bundestag eingezogene Serap Güler, sie war Staatssekretärin für Integration in Laschets NRW-Kabinett.
Einen Rückschlag musste am Wochenende Röttgen einstecken. Dessen Chefstrategin im Ringen um den Parteivorsitz Ende 2020, Ellen Demuth aus Rheinland-Pfalz, will nicht erneut mit ihm ins Rennen ziehen. Sie habe gut und vertrauensvoll mit Röttgen zusammengearbeitet, sagte sie dem Sender ntv. Aber die Zeiten änderten sich. Demuth fügte hinzu: „Ich wünsche Norbert Röttgen alles Gute.“
APOTHEKE ADHOC Debatte