Es braut sich etwas zusammen. Putschgerüchte machen die Runde. Ob diese zutreffen oder nicht – am 17. Januar muss ABDA-Präsident Friedemann Schmidt seine bislang schwierigste Mitgliederversammlung überstehen, es wird ein politischer Härtetest. Mehr noch: Auch die Politik schaut auf Schmidt, wartet auf das Votum der Apotheker. Für den 18. Januar haben sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen zu einer Sondersitzung verabredet. Dann soll beraten werden, wie es weiter geht.
Seit dem 11. Dezember, als Spahn Kammern und Verbänden mit seinem Plan B reinen Wein einschenkte und dem Rx-Versandverbot eine klare Abfuhr erteilte, hat sich an der Apothekerbasis viel Ärger über den ABDA-Präsidenten angestaut. Über 70 Prozent der bisher 500 teilnehmenden Apotheker verlangen in einer Umfrage der Freien Apothekerschaft bereits Schmidts Rücktritt. Und auch im Lager der Kammern gibt es nicht nur Widerstand gegen den Acht-Punkte-Plan von Spahn und die Festschreibung eines 2,50 Euro Rx-Boni im deutschen Sozialgesetzbuch.
Friedemann Schmidt selbst steht im Kreuzfeuer der Kritik. Wie viel Schmidt steckt in Spahns Plan B, wollen Präsidenten und Vorsitzende wissen. Welche Rolle spielte der ABDA-Präsident bei der monatelangen Erarbeitung des Alternativkonzepts zum Rx-Versandverbot? Bekannt ist nur, dass sich Schmidt und Spahn mehrfach persönlich getroffen, E-Mails und SMS ausgetauscht haben. Gesten und Mimik beim DAT und am 11. Dezember zeugen von dem engen Draht, den beide in dieser Zeit aufgebaut haben, auch wenn sie sich die Bälle nicht zuspielen. Aber seit wann wusste Schmidt vom Knackpunkt Rx-Boni-Plan? Hat er ihn am Ende sogar gegenüber Spahn akzeptiert?
Verärgert sind einige im Lager der Mitgliedsorganisationen auch, dass der ABDA-Präsident seine „Moderatorenrolle“ immer noch nicht verlassen hat. Was denkt der oberste Repräsentant der Apothekerschaft persönlich über den Plan B? Spätestens auf der ABDA-Mitgliederversammlung muss Schmidt Farbe bekennen. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein ABDA-Präsident einem solchen Paket zugestimmt haben soll“, so ein Kammerpräsident: „Das wäre das Ende vieler kleinen Apotheken.“ Ein anderer sieht es dagegen als Ausdruck eines demokratischen Willensbildungsprozesses, dass Schmidt nicht vorprescht.
Und Friedmann Schmidt schweigt unverdrossen weiter. Bis zum 15. Januar sei er nicht in der Berliner ABDA-Zentrale anzutreffen, lässt sein Sprecher wissen. Auch Kammern und Verbände will er bis dahin nicht mehr besuchen. Kopfschütteln herrscht bei Mitgliedsorganisationen über Sinn und Zielrichtung der ABDA-Kommunikationsstrategie in dieser schwierigen Zeit. Nur die FAZ hat er in seine Seume-Apotheke nach Leipzig gelassen. Herausgekommen sei ein FAZ-Text, in dem der ABDA-Präsident eher als altbackener Traditionalist und Modernierungspessimist neben seiner Rezeptionsklingel abgebildet wurde: Alt gegen Neu. Der ABDA-Präsident gegen DocMorris-Vorstand Max Müller als Sinnbild für moderne Arzneimitteldistribution.
Und was ist in die ABDA gefahren, teuer bezahlte Rechtsgutachten zum Rx-Versandhandelsverbot sang- und klanglos am Tag nach der letzten Mitgliederversammlung auf der ABDA-Homepage zu veröffentlichen, fragen sich Öffentlichkeitsarbeiter von Mitgliedsorganisationen. Statt offensiv zu kommunizieren, für die Ziele der Apotheker zu kämpfen, ducken sich die ABDA und ihr Präsident in dieser entscheidenden Phase der politischen Auseinandersetzung weg.
Kein Spaziergang wartet also auf Schmidt in der kommenden Mitgliederversammlung. Gerüchten zufolge wurde der Politik bereits signalisiert, dass es dort bei einem turbulenten Verlauf im Extremfall auch um den Stuhl des ABDA-Präsidenten gehen könnte. Einen Rädelsführer gibt zwar es nicht, aber Kammerpräsidenten schließen nicht aus, dass je nach Verlauf der Sitzung Rücktrittsforderungen laut werden könnten.
Denn wie soll es weitergehen, wenn eine klare Mehrheit von Kammern und Verbänden Plan B ablehnt, so wie es sich abzeichnet? Die ABDA selbst hat Spahns Acht-Punkte-Plan als geschlossenes, nicht verhandelbares Gesamtpaket qualifiziert. Eine Rückkehr zur Forderung nach einem Rx-Versandverbot mit Schmidt als ABDA-Verhandlungsführer wäre ebenso unglaubwürdig wie der Versuch, Plan B doch noch aufzuschnüren. Möglicherweise hilft dann nur noch ein Wechsel an der ABDA-Spitze.
Auch in der Politik richten sich die Augen auf den ABDA-Chef: Zweimal hat er Spahn zur Apothekerschaft mitgebracht, zum Deutschen Apothekertag in München und zur Mitgliederversammlung am 11. Dezember. So etwas gab es noch nie. Spahn hat Kritik einstecken müssen, aber die „Kohlen aus dem Feuer holen muss der ABDA-Präsident selbst“, heißt es in Berlin. Wann endlich bringt er seinen Laden hinter sich, fragt man sich auch dort. Der Rückhalt der ABDA in der Politik schwindet ohnedies.
Aber was passiert nach einem Nein der ABDA-Mitgliederversammlung? Offen hat Spahn schon in München mit dem 2hm-Gutachten gedroht. Nicht zufällig habe 2hm-Gutachterin Iris an der Heiden bei ihrem Auftritt im Wirtschaftsausschuss des Bundestages Anfang Dezember die Zahl 500 Millionen Euro genannt. Das sei die Summe, die sich die Kassen und Wirtschaftspolitiker dann von den Apothekern holen wollten.
Schmidt steht unter Druck, das ist dem ABDA-Präsidenten bewusst. Bereits bei der turnusmäßigen Mitgliederversammlung im Sommer verpassten Kammern und Verbände Schmidt einen Warnschuss und forderten eine Nullrunde für den nächsten Haushalt. Es brodelt schon lange in der ABDA. Die Berliner Zentrale fordere von Kammern und Verbänden immer mehr Geld und hülle sich zugleich zu wichtigen politischen Fragen in Schweigen, hieß es im Sommer: „Die Politik der Nullinformation können wir uns nicht länger gefallen lassen. Niemand weiß, was die ABDA in Berlin tut.“
„Die Hinterzimmerpolitik ist gescheitert“, stellt jetzt ein Kammerpräsident fest. Das Fass sei übergelaufen. Es gibt also viel zu besprechen am 17. Januar. Die Mitgliederversammlung im Sommer sei seine schwierigste gewesen, räumte Schmidt am Abend des 28. Juni ein. Jetzt dürfte es noch spannender für den ABDA-Präsidenten werden.
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