Anfang November hat der Bundestag das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) verabschiedet. Damit können Ärzte demnächst auch Apps auf Rezept verordnen. Jetzt warnen die Psychotherapeuten vor einer App-Flut und damit verbundenen negativen Folgen. Ungeprüfte Apps könnten den Zustand von Patienten verschlimmern, befürchtet der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).
Das DVG sieht vor, dass Gesundheits-Apps zukünftig für ein Jahr verschrieben werden können und die gesetzlichen Krankenversicherungen für die Kosten aufkommen. Auch Psychotherapeuten können digitale Gesundheitsanwendungen verordnen. „Gesundheits-Apps können eine Behandlung sinnvoll ergänzen, etwa begleitend zu einer Therapie oder in der Nachsorge. Dies hat der BDP erkannt und zertifiziert seit diesem Jahr Online-Interventionen, die sich durch Seriosität, Datenschutz und vor allem ihre Wirksamkeit auszeichnen“, so BDP-Präsident Prof. Dr. Michael Krämer. „Uns bereitet jedoch Sorge, dass die Hersteller laut Digitale-Versorgungs-Gesetz erst nach einem Jahr nachweisen müssen, ob ihre App die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessert – viel zu spät, um mögliche Risiken auszuschließen.“
Im Gesetzentwurf sei von einem „geringen Risikopotenzial“ die Rede, welches es rechtfertige, keine hohen Evidenzanforderungen an Apps zu stellen. Problematisch werde dies aber, wenn Personen statt eine Therapie in Anspruch zu nehmen, sich nur auf eine App verlassen. Es sei sogar denkbar, dass eine ungeprüfte App ihren Zustand noch verschlimmert.
Der BDP hat ein Gütesiegel „Geprüfte Psychologische Online-Intervention“ und "Geprüfte Psychologische App" entwickelt. Die Zertifizierung bestätigt die Wirksamkeit einer App-gestützten psychologischen Intervention und zusätzlich die Qualitätsaspekte Transparenz, Datenschutz, Nutzerfreundlichkeit und die Professionalität involvierter Personen einschließlich einer ethischen Verpflichtung. Es werden drei Varianten der Zertifizierung angeboten. Das Gütesiegel „Geprüfte Psychologische Online-Intervention“ (GPOI) des BDP gibt es in zwei Formen: für heilkundliche psychologische Dienstleistungen und für psychologische Dienstleistungen außerhalb der Heilkunde, jeweils mit der Bestätigung der Kompetenz eingesetzter Personen.
Das Gütesiegel „Geprüfte Psychologische App“ (GPA) des BDP bezieht sich auf alle Qualitätsaspekte und bestätigt deren Vorliegen und die positive Wirkung einer App ohne einen zusätzlichen Einsatz von Personen. Das Siegel wird unter der Voraussetzung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben in den Antragsunterlagen erteilt. Seine Gültigkeit entfällt bei Verletzung der dort festgelegten Kriterien und Verpflichtungen. Änderungen an der App oder der technischen und organisatorischen Struktur der besiegelten internetbasierten Anwendung bedürfen der vorherigen Prüfung und Bestätigung, dass die Qualität weiterhin gegeben ist. Bis zu drei Veränderungen mit geringer Relevanz können unter Beibehaltung des bestehenden Siegels mit der bereits bestätigen Prüfqualität beantragt werden. Bei mehr als drei Veränderungen oder bei Veränderungen größeren Umfangs, ist ein Rezertifizierung-Antrag erforderlich.
Das DVG sieht vor, dass die Kassen bestimmte Apps für das Smartphone bezahlen müssen, wenn ihr Arzt sie verschreibt. Laut BMG geht es etwa um Anwendungen, die beim regelmäßigen Einnehmen von Medikamenten helfen oder digitale Tagebücher für Diabetiker. Dafür soll eine rasche Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kommen. Ein Jahr tragen die Kassen die Kosten, in dieser Frist müssen die App-Anbieter dann auch den Nachweis einer besseren Versorgung liefern. Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnte bereits, die große Menge mache das Unterscheiden nicht ganz einfach. Es gebe sinnvolle und hilfreiche Angebote, aber auch viel „Schnickschnack“.
Auch die Kassenärzte meldeten Bedenken an: Der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister forderte, dass die Ärzte stärker in die Versorgung mit digitalen Anwendungen eingebunden werden sollen. „Maßstab und Kern des ärztlichen Verständnisses einer guten Versorgung ist das Arzt-Patienten-Verhältnis – auch im digitalen Zeitalter“, stellt Hofmeister klar. Mit dem DVG würden nun „Experimentierräume für digitale Anwendungen“ geschaffen – die aber auch für die niedergelassenen Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und für die KBV geöffnet werden müssten. „Denn wir stehen für 175.000 niedergelassene Kolleginnen und Kollegen, die genau wissen, was die Patienten für eine optimale Behandlung brauchen“, so der ausgebildete Fliegerarzt.
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