Bevor Patienten mit Cannabis behandelt werden können, muss eine Genehmigung von der Krankenkasse eingeholt werden. Dabei gilt: Nur Vertragsärzte dürfen die Therapie veranlassen, wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) entschieden hat. Apotheken haben, wie sich aus einem Nebensatz ergibt, eine Prüfflicht. Es drohen Retaxationen.
In § 31 Absatz 6 Sozialgesetzbuch (SGB V) heißt es zur Therapie mit Cannabisblüten oder -extrakten: „Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung […] der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist.“
Laut LSG ist damit eine vertragsärztliche Verordnung gemeint. „Dafür spricht neben dem Wortlaut der Regelung (‚Verordnung‘, nicht ‚Rezept‘) der Umstand, dass der Apotheker keinen Vergütungsanspruch für die Abgabe von Cannabisblüten an Versicherte der GKV [...] erwirbt, wenn er diese abgibt, ohne sich bei jeder Abgabe die notwendige Genehmigung der Erstverordnung vorlegen zu lassen.“ Auch wenn es sich nur um einen Nebensatz handelt – dies könnte für den Apothekenalltag von großer Bedeutung sein. Zwar lassen sich viele Apotheken die Genehmigung vorzeigen oder fragen beim Arzt nach. Eine generelle Prüfpflicht wurde unter Juristen bislang aber nicht gesehen.
Das Gericht begründet seine Sichtweise damit, dass so die Gefahr, dass sich Versicherte mit Hilfe der vertragsärztlichen Verordnung bereits vor einer Genehmigung auf Kosten der Krankenkasse Cannabisprodukte als Sachleistung beschafften, ausgeschlossen wird. Laut Beschluss folgt aus dieser Auffassung aber nicht, dass die nach erteilter Genehmigung der Erstverordnung ausgestellten Folgeverordnungen exakt der Erstverordnung entsprechen müssen. Auch eine Erstverordnung auf Privatrezept ist möglich, sofern sie durch einen Vertragsarzt ausgestellt wird.
Im konkreten Fall hatte ein Patient im November 2017 bei seiner Kasse einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt, dem eine ärztliche Bescheinigung eines Privatarztes beigefügt war. Demnach sollten dem Versicherten wegen einer Spondylitis ankylosans und eines chronischen Schmerzsyndroms 3g Cannabisblüten pro Tag verordnet werden. Die Kasse lehnte den Antrag ab, da der Mediziner keine Zulassung als Vertragsarzt besaß.
Nachdem der Versicherte mit Widerspruch und Klage erfolglos blieb, reichte er im August dieses Jahres ein Privatrezept und die Rechnung einer Apotheke ein. Weil die Kasse die Übernahme der Kosten verweigerte, zog er vor Gericht. Seine Argumentation: Er habe mittlerweile von zwei Kassenärzten Cannabis verschrieben bekommen – und das ohne jegliche vorherige Genehmigung durch die Antragsgegnerin. Da sich sein Gesundheitszustand nicht verändert habe, sei damals schon der medizinische Bedarf nötig gewesen.
Eine Entscheidung im Eilverfahren wolle er herbeiführen, da er als Hartz-IV-Empfänger wegen der Rechnung der Apotheke seit Dezember 2017 im Minus sei. Der Betrag sei für ihn nicht auszugleichen und er fühle sich sozial benachteiligt und unterdrückt. Er habe damals einfach von den weit teureren Gentech-Medikamenten und dem Mophin wegkommen wollen. Da die Kasse auch private Herzchirurgen bezahle, sehe er keinen Hinderungsgrund außer der Voreingenommenheit alter längst überholter Herrschaftsstrukturen. Das sei ihm als behinderter Mensch nicht mehr zuzumuten.
Kassenpatienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben seit März 2017 unter bestimmten Umständen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität. Dasselbe gilt für die Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.
Dabei darf eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehen – oder der Arzt hält diese im Einzelfall unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes für nicht geeignet. Außerdem muss eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome“ bestehen.
Den Krankenkassen sind die im Gesetz veranschlagten monatlichen Behandlungskosten von durchschnittlich 540 Euro zu teuer. Schon im Anhörungsverfahren 2016 hatte der GKV-Spitzenverband die Vergütung der Apotheken vor dem Hintergrund des anfallenden Arbeitsaufwands als „unangemessen hoch“ kritisiert. Demnach ist die langfristige Kostenübernahme ohnehin unsicher, denn für den dauer- und regelhaften Leistungsanspruch fehle der Nachweis der Wirksamkeit. Die Kassen begrüßen daher die fünfjährige Begleiterhebung. Dadurch werde sich in einigen Jahren zeigen, „ob die Cannabis-Therapie dauerhaft zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehört“.
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