In Berlin sollte heute der Prozess um den vermeintlichen Datendiebstahl aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) beginnen. Doch noch vor Verlesung der Anklage hatte die Verteidigung die Besetzung des Gerichts gerügt. Die Staatsanwaltschaft hat Widerspruch eingelegt. Nun soll es am 12. Januar weitergehen.
Im Dezember 2016 hatte das Präsidium des Landgerichts Berlin eine neue Geschäftsordnung beschlossen und eine 20. Strafkammer eingerichtet und mit Richtern besetzt. Hintergrund war die Anhängigkeit einer höheren Anzahl älterer Strafsachen bei den bestehenden Kammern, die wegen der bevorzugt abzuarbeitenden Haftsachen immer wieder verschoben werden mussten oder auf absehbare Zeit gar nicht aufgerufen werden konnten.
Auch das Verfahren um Christoph H., ehemaliger IT-Mitarbeiter des BMG, sowie Thomas Bellartz, heute Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, wurde an die neue Kammer übertragen. Damit sei in „verfassungswidriger Art und Weise“ auf die gerichtliche Zuständigkeit der für das Verfahren zuständigen Strafkammer Einfluss genommen worden, argumentiert Bellartz’ Verteidiger Professor Dr. Carsten Wegner von der Kanzlei Krause & Kollegen.
Wegner bezieht sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Dezember 2016, nach der die Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren nur per Geschäftsverteilungsplan angeordnet, nicht aber einfach nur von später eintretenden Ereignissen wie der Eröffnung oder Nichteröffnung abhängig gemacht werden darf.
Offenbar kannte auch das Gericht die Entscheidung, jedenfalls wurde der Fall unter Verweis auf die Kollegen aus Karlsruhe nur wenige Monate später wieder der 1. Strafkammer zugeteilt. Für Wegner ein Ding der Unmöglichkeit, zumal die laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) geforderte Begründung für unterjährige Änderungen in der Geschäftsverteilung fehlt. Dass ausgerechnet die überlastete Kammer den Fall nun wieder auf dem Tisch habe, genüge jedenfalls nicht den Vorgaben des BGH, dass jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres geeignet sein müsse, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen.
Außerdem rügte Wegner die Besetzung der Ergänzungsschöffen. Eine von ihnen arbeite bei der Kassenärztlichen Vereinigung, die wiederum immer wieder – auch finanziell – vom BMG abhängig sei. Ein anderer Ersatzschöffe hatte sich vom Prozess wegen eines Arbeitseinsatzes in Spanien freistellen lassen; hier fehlen laut Wegner die erforderlichen Angaben.
Im Prozess sind bislang 17 Verhandlungstage angesetzt, 27 Zeugen sind geladen. Der 44-jährige ehemalige Mitarbeiter eines externen IT-Dienstleisters des BMG soll laut den Ermittlungen von 2009 bis 2012 für Bellartz Postfächer mit E-Mails ausgespäht und die Daten an Bellartz weiterverkauft haben. Dafür soll er laut Staatsanwaltschaft insgesamt 26.550 Euro erhalten haben.
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