„Fast alle hessischen Apotheken bleiben am 27. und 28. Juni geschlossen und beteiligen sich an den beiden flächendeckenden Protesttagen gegen die vom Bundesgesundheitsministerium geplante Apothekenreform“, so der Hessische Apothekerverband (HAV). „Die Arzneimittelversorgung bleibt an diesen Tagen über die Notdienstapotheken sichergestellt.“
„Mit ihrer zweitägigen Schließung protestiert die hessische Apothekerschaft gegen den vor wenigen Tagen vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgelegten Referentenentwurf zur geplanten Apothekenreform, der die schlimmsten Erwartungen für die Patientinnen und Patienten und derer flächendeckender Arzneimittelversorgung durch die öffentlichen Apotheken noch weit übertrifft“, heißt es weiter.
Holger Seyfarth, Vorsitzender des HAV, betont: „Der vom BMG vorgelegte Referentenentwurf ist ein Generalangriff auf unseren gesamten Berufsstand, unsere pharmazeutische Kompetenz und die wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch die Apotheken vor Ort.“ Minister Karl Lauterbach rücke weder die Arzneimittelsicherheit noch die wohnortnahe Versorgung der Menschen in den Fokus kritisiert er. „Er opfert uns Apotheker als letzte Kontrollinstanz und als letzten Sicherheitsfaktor zwischen der ärztlichen Verschreibung und dem Patienten auf dem Einsparungsaltar“, so Seyfarth.
Für ihn ist klar: „Die beiden Protesttage am 27. und 28. Juni sind deshalb einerseits ein Zeichen der Entschlossenheit, sich gegen diesen Todesstoß für einen ganzen Berufsstand entschieden zu wehren, und andererseits auch ein deutlicher Appell an die Regierungskoalition in Berlin, dieses Vorhaben des Gesundheitsministers umgehend zu stoppen.“
13.01 Uhr: Alexander Schopbach vom Hessischen Apothekerverband (HAV) eröffnet die Kundgebung als Versammlungsleiter.
- Aus ganz Hessen und Thrüingen seien Apothekenteams gekommen, um sich entschieden gegen die Reformpläne zu wehren.
- Für die kommende Woche seien weitere Gespräche geplant. Applaus.
13.03 Uhr: Holger Seyfarth, HAV-Vorsitzender, macht deutlich, dass die Teams der Dreh- und Angelpunkt der Aktion seien.
- „Wir sind dabei, in Berlin hoffentlich doch noch einen Fuß in die Tür zu bekommen.“ Dies habe das APOTHEKELIVE gestern in Berlin deutlich gemacht.
- Wir haben uns den Entwurf genau angeschaut. Es seien auch einige positive Punkte enthalten, im Kern bedeute die Reform jedoch eine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung. „Was wird denn dadurch besser?“, frage man sich bei Betrachtung der Punkte wie einer Apotheke ohne Approbierte.
- „Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.“ Wir machen hier heute den Anfang. Applaus von den Protestierenden.
- Apotheker:innen seien die „letzte Sicherheitsstufe“ bei der Rezeptkontrolle und diese werde mit dem Entwurf leichtfertig außer Kraft gesetzt – „Das lassen wir nicht mit uns machen.“ Applaus.
- Auch die flexiblen Öffnungszeiten seien nicht die Lösung für eine bessere Versorgung. Außerdem lasse man die Kürzung des Honorars von 3 auf 2 Prozent nicht mit sich machen. Die dadurch erhoffte Umverteilung sei nicht nachvollziehbar. Dieser sozialistische Gedanke der Umverteilung koste Arbeitsplätze und man werde sich dagegen wehren.
- Apotheken sollen zudem noch mehr leisten. „Lieber Herr Minister, wir können das. Aber dafür brauchen wir Personal. Und dieses muss man auch bezahlen.“ Applaus. Die Mitarbeitenden haben lange genug auf Gehaltsanpassungen gewartet. Wenn es nun endlich eine Honorarerhöhung gebe, würden die Inhaber:innen diese auch an die Angestellten weitergeben. Dies könne auch gesetzlich festgelegt werden. „Man muss es nur wollen.“
- Noch funktioniere das System der Apotheken vor Ort. Noch. Doch dies sollte man nicht aufs Spiel setzen. Auch wenn der Finanzminister sage, es sei kein Geld da, dann müsse er dies irgendwo auftreiben. Applaus von den Protestierenden.
- „Wir brauchen keine Zweigapotheken oder Apotheken mit vermindertem Leistungsangebot.“ Was man brauche, sei ein funktionierendes System. Der Minister müsse hier nachbessern. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen.“ Applaus.
- „Wir werden weiter kämpfen.“ Dank an alle Teilnehmenden. Applaus.
13.16 Uhr: Miriam Oster vom HAV bedankt sich bei Seyfarth für sein Engagement. Applaus.
13.17 Uhr: Ines Claus, Fraktionsvorsitzende CDU Hessen, betritt die Bühne.
- Ihr sei es ein Anliegen, beim Protest dabei zu sein. „So wie der Entwurf bisher ist, darf er nicht kommen. Wir müssen ihn gemeinsam stoppen.“ Applaus. Die Apotheken seien das letzte Schutzschild in der Versorgung. „Danke für Ihren Einsatz.“
- Apotheken seien Expert:innen auf ihrem Gebiet. Es ergebe sich ein Präsenzgebot für die Apotheker:innen vor Ort. Verfassungsrechtlich sei der geplante Verzicht auf anwesende Approbierte ein Verstoß gegen das Arzneiversorgungsgebot.
- Die CDU-Fraktion setze auf klar auf die Inhabergeführte Apotheke vor Ort, denn diese sei unverzichtbar. Applaus. „Wir stehen an Ihrer Seite.“ Sie selbst habe einen Brief an Lauterbach geschrieben und auf die Bedeutung der hessischen Apotheken hingewiesen.
- Lädt Seyfarth in die Fraktionssitzung für kommende Woche ein, außerdem eine/n Vertreter:in der Kammer, um weiter im Dialog zu bleiben. „Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Gesetz in Berlin gestoppt wird.“ Applaus.
13.24 Uhr: Seyfarth bedankt sich für diese große Unterstützung aus der Politik und nimmt Einladung an. „Wir lassen nicht locker.“
13.25 Uhr: Schopbach begrüßt Ralf Norbert Bartels als Ehrengast und bittet anschließend Ariel Wagner, PTA und Initiator „Mission. Apotheke vor Ort“ auf die Bühne.
13.26 Uhr: Ariel Wagner betritt die Bühne.
- Bedankt sich für die Teilnahme. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“ Applaus.
- Streik sei ein mutiger Schritt. „Großartig, dass ihr für das, was ihr liebt, einsteht.“
- „Ich bin wütend, sehr wütend.“ Er könne die Unehrlichkeit und das Herumtaktieren von Lauterbach nicht mehr verstehen. Er habe nicht einmal den Mut öffentlich zu sagen, dass er die Apotheken opfern wolle und wisse ganz klar, dass sein Entwurf ein vergiftetes Geschenk sei.
- Lauterbach wisse dabei, dass es vielen Bürger:innen an Hintergrundwissen fehle, um die Pläne zu durchschauen. Daher wolle seine „Mission“ aufklären.
- Außerdem hebele Lauterbach demokratische Prozesse aus, indem er Entwürfe in der Presse veröffentliche und nicht mit den Betroffenen spreche. „Das ist schlechter Stil.“
- Sozialistische Umverteilungsphantasien von Lauterbach werden viele in den Ruin treiben und die Existenz kosten. Lauterbach missachte die Lebensrealität dieser Berufsgruppen.
- Pseudo-Apotheken könnten die Versorgung nicht verbessern. „Wie denn?“ Schließlich gebe es dort eingeschränkte Leistungen. Außerdem könne ein Mangelberuf keinen anderen ersetzen. Applaus.
- Als PTA traue er sich und vielen Kolleg:innen zwar eine Filialleitung zu, anderen jedoch auch nicht. Doch selbst wenn er dies machen würde, dann sicher nicht für 2.900 Euro. Wenn eine PTA die Verantwortung übernehme, dann sei diese mindestens genauso teuer wie ein Filialleiter und damit sei die Kostenersparnis gleich null.
- Lauterbach zünde Nebelkerzen und sorge für Unmut und Unstimmigkeiten zwischen den Berufsgruppen. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, miteinander muss es gehen.“
- Wenn das bestehende System aufrechterhalten werde, könnte auch die Versorgung weiter gewährleistet werden. Die Apotheke sei für viele Menschen einer der letzten sozialen Orte im Land. Applaus.
- Die Teams sollten Einigkeit zeigen, an einem Strang ziehen und sich nicht auseinandertreiben lassen. Und auch die Bürger:innen sollten in den Apotheken nachfragen und sich aufklären lassen. Die Politiker:innen der Länder sollten den Entwurf stoppen und sich für längst überfällige Lohnanpassungen der Apothekenteams stark machen. Applaus.
- „Mission. Apotheke vor Ort" sei unabhängig und für jede/n offen. „Wir sitzen alle in einem Boot, dies müssen wir realisieren.“ Großer Applaus.
13.42 Uhr: Seyfarth bedankt sich für die Unterstützung. Seine Apotheken seien heute nicht komplett geschlossen – denn die liege im Hauptbahnhof, sodass von der Deutschen Bahn keine Erlaubnis zur Schließung kam, eine weitere habe Notdienst und eine dritte habe vormittags noch Substitutionspatient:innen versorgt. Die vierte sei geschlossen.
13.45 Uhr: Yanki Pürsün, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion betritt die Bühne.
- Es sei schade, dass der heutige Protest überhaupt noch einmal notwendig sei. Er selbst sei bisher bei jeder Demo dabei gewesen und habe zu den Protestierenden gesprochen.
- Die FDP halte weiter an ihrem Ziel einer inhabergeführten Apotheke fest. Applaus. Er wolle die Eindrücke und Ergebnisse des Protestes mit nach Berlin tragen. „Sie können sich sicher sein, dass das, was ich hier sage, auch anderswo sage.“ Zitiert daher aus einer Pressemitteilung von Ende April, die jedoch weiterhin Gültigkeit habe.
- Das Konzept der „Light-Apotheke“ lehne man strikt ab. Er wolle Lauterbachs Namen nicht aussprechen, doch dieser müsse mit den Apotheken sprechen, weil sie die besseren Lösungen für die Probleme hätten. Applaus.
- Auch das Thema Bürokratie sei wichtig, denn diese sorge in Hessen dafür, dass „fleißige, gut Deutsch sprechende Menschen“ nicht an den Hürden vorbeikommen und nicht beschäftigt werden können. Dies gefährde die Gesundheitsversorgung im Bundesland. Applaus.
- „Wir bauen darauf, dass der Entwurf im Bundestag verbessert wird.“ Bedankt sich für die Dialogbereitschaft des HAV. Diese sei entscheidend, denn das Parlament mache die Gesetze und nicht Lauterbach allein. „Sie können sich unserer Unterstützung sicher sein.“ Applaus.
13.54 Uhr: Seyfarth appelliert, dass Pürsün ein gutes Wort für die Apotheken im Hinblick auf Finanzmittel einlegen solle. „Bei uns ist das Geld gut angelegt.“
13.56 Uhr: Schopbach begrüßt Nicole Iben, Logopädin und Vorsitzende der ASG Hessen Nord, auf der Bühne.
- Als Logopädin könne sie viele Sorgen der Apothekenteams verstehen und teilen. Sie sehe zwar einige positive Punkte in der Reform, über die man diskutieren könne. Vor allem die Apotheken ohne Approbierte sorge jedoch auch bei ihr und ihren Parteikolleg:innen für Kritik.
- Bisher seien die Pläne nur ein Referentenentwurf und noch kein vom Bundeskabinett verabschiedeter Gesetzentwurf. Man werde sich weiter für eine inhabergeführte Apotheke stark machen. Applaus.
- Für sie und ihre Partei sei es wichtig, die Apotheken zu unterstützen. Sie hoffe auf Gesprächsbereitschaft und lade gerne zu Gesprächen ein.
14.01 Uhr: Seyfarth bedankt sich für das Statement und bietet an, eine weitere Stellungnahme einzureichen, um die Gespräche voranzubringen.
14.03 Uhr: Oster begrüßt Matthias Körner, Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, als nächsten Redner.
- In der SPD diskutiere man alle Fragen kontrovers. Daher werde auch zur geplanten Reform eine Debatte geführt. „Das Wesen der Politik ist der Kompromiss.“ Applaus. Zwischenruf „Wir haben keine Zeit mehr.“ Es gebe jedoch Fragen, die auch der Gesundheits- oder Finanzminister nicht ohne Weiteres lösen könne.
- Man müsse jedoch in die Debatten gehen, um beispielsweise eine reine Versorgung über Versender zu verhindern. Dies werde auch geschehen.
14.07 Uhr: Seyfarth kommentiert das Statement damit, dass spürbar sei, dass ein „Gewitter aufziehe“. In einer politischen Debatte müsse man einiges aushalten, dies habe er getan, dafür vielen Dank.
14.08 Uhr: Schopbach begrüßt den Stellvertreter von Kathrin Anders, Gesundheitspolitische Sprecherin Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die krankheitsbedingt nicht anwesend sein kann, auf der Bühne.
- Kein Gesetz wird so beschlossen, wie es in den Gesetzgebungsprozess hineingeht. Er sei zuversichtlich, dass auch dieser Entwurf noch abgeändert werde. Es gebe noch ausreichend Diskussionsmöglichkeiten, um einen Kompromiss zu finden. Applaus.
14.10 Uhr: Seyfarth bedankt sich für die Teilnahme und beendet die Kundgebung aufgrund heftigen Regens vorzeitig. Applaus.
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