Notdienstbezirk plant gemeinsame Aktion

Protesttag: Kollegen streiken vor Notdienstapotheke

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Berlin -

In Sachsen sollen die Apotheken am kommenden Montag geschlossen bleiben – aus Protest auf die Liberalisierungspläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und seinen Auftritt beim Deutschen Apothekertag (DAT). Auch wenn die Aktion spontan ist: Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ziehen mit.

„Auch der hiesige Notdienstbezirk bleibt geschlossen“, teilen die Apothekerinnen und Apotheker aus Mittelsachsen mit: In Frohburg, Taura, Burgstädt, Hartmannsdorf, Geithain, Limbach-Oberfrohna, Lunzenau, Penig und Rochlitz blieben die Apotheken allesamt geschlossen. Die Inhaberinnen und Inhaber und ihre Angestellten wollen sich ab 10 Uhr zum Streik vor der einzigen notdiensthabenden Apotheke des Bezirks versammeln – der Moritz-Apotheke in Limbach-Oberfrohna. Vor Ort wollen sie auch Medienvertretern erklären, warum sie gemeinsam protestieren.

„Der Geduldsfaden ist nun endgültig gerissen“, erklärt Jürgen Hoffmann, Inhaber der Schwanen-Apotheke in Burgstädt und Beauftragter für den Protest. Die Demo sei eine Antwort auf die „Verunglimpfung und Herabwürdigung unseres Berufsstandes und der Leistung aller Apothekenmitarbeiter“ durch Lauterbach im Rahmen seiner Rede zum DAT. „Es dürfen bundesweit nicht noch mehr Apotheken aufgrund Lauterbachs Fehlpolitik schließen. In unserem Bezirk musste bereits die Kohrener Land-Apotheke ihre Türen für immer absperren.“

Eine auskömmliche Honorierung der Apothekenleistungen sowie die geleistete Mehrarbeit durch ständig zunehmende Zusatzaufgaben wie dem Management der Arzneimittel-Mangelwirtschaft sei deshalb zwingend erforderlich, da seit 20 Jahren keine Anpassung erfolgte.

Der Sächsische Apothekerverband (SAV) hatte unmittelbar nach Lauterbachs Rede zum Protest aufgerufen. „Anstatt den seit Monaten angefragten Termin für einen konstruktiven Dialog mit den ausgewiesenen Fachleuten für Arzneimittelversorgung wahrzunehmen, ist der Bundesgesundheits-minister weiter im Alleingang unterwegs“, kritisierte Verbandschef Thomas Dittrich. „Die realitätsfernen Ideen des Bundesgesundheitsministers zeigen wieder einmal, dass Lauterbach die mittlerweile dramatische Versorgungslage in Deutschland und auch Sachsen komplett verkennt. Anstatt die Ursachen der Probleme anzugehen, sollen die bewährten und vor allem hoch effizient arbeitenden Strukturen der Arzneimittelversorgung vor Ort erheblich geschwächt werden, und das zulasten unserer Patientinnen und Patienten.“

Ein konstruktiver Dialog seitens des Ministers sei offensichtlich nicht gewollt, daher bleibe nur der Protest, um auf die Missstände öffentlich aufmerksam zu machen, so Dittrich. Schon im Juni sei das Verständnis seitens der Bevölkerung, aber auch seitens der Landesregierung sehr groß gewesen. „Allen ist klar, dass an derSpar-schraube Apotheke nicht länger gedreht werden darf, dass es vielmehr dringend einer finanziellen Entlastung bedarf, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln weiterhin sicherzustellen. Nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen“, so Dittrich, der selbst eine Apotheke in Großröhrsdorf führt.

Die Apothekenteams arbeiteten seit Jahren am Limit, um beispielweise trotz der exorbitanten Lieferausfälle die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Und das für ein Gehalt, das deutlich unter dem ihrer Kolleginnen und Kollegen in staatlichen Behörden, Krankenkassen oder der pharmazeutischen Industrie liege. „Wie wollen Sie da noch junge Menschen für die an sich großartige Arbeit in der öffentlichen Apotheke begeistern?“

„Die Zeiten, in denen es für die Apotheken Planungssicherheit gab, sind lange vorbei. Die jetzige Generation der Apothekeninhaber:innen kämpft mit unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, einer teils widersinnigen Bürokratie und einem seit nunmehr zehn Jahren nicht angepasstem Honorar. Das alles trotz immens gestiegener Kosten und in vielen Fällen ohne finanzielles Polster“, so Dittrich. „Eine Apotheke zu betreiben beziehungsweise zu übernehmen, heißt mittlerweile auch ein sehr hohes persönliches Risiko einzugehen.“

Seit Jahren weist die Apothekerschaft auf die sich verschlechternde Versorgungssituation, vor allem in Bezug auf Arzneimittellieferengpässe, fehlende Fachkräfte oder die wirtschaftliche Schieflage von vielen öffentlichen Apotheken hin. Im „Lieferengpassgesetz“ (ALBVVG) wurden vom Bundesgesundheitsminister nur wenige ihrer Forderungen aufgegriffen und brachten bislang keine merkliche Verbesserung der Gesamtlage.

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