Protestmonat: Zusatzdemo in Schwerin Patrick Hollstein, 18.10.2023 07:50 Uhr
In drei Wochen beginnen die vierwöchigen Proteste der Abda, doch noch wurden keine Details dazu bekannt gemacht. Selbst die Mitgliedsorganisationen kennen die Pläne nur ansatzweise. Schon zum Auftakt könnte es Abweichungen vom ursprünglich angedachten Szenario geben: Statt sich an der Kundgebung in Hannover zu beteiligen, organisiert der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern (AVMV) gemeinsam mit anderen Heilberuflern eine eigene Kundgebung in Schwerin.
Mit zahlreichen dezentralen Protestaktionen hatten die Apothekenteams in ganz Deutschland am 14. Juni ihren Frust über die Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach (SPD) auf die Straße getragen. Mehr als 20.000 Kolleginnen und Kollegen hatten sich nach Berechnungen von APOTHEKE ADHOC beteiligt. Von der Großkundgebung mit tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern bis zum lokalen Protestmarsch einiger hunderter oder dem spontanen Treff einiger weniger Kolleginnen und Kollegen vor der jeweiligen Notdienstapotheke war der Protesttag genauso bunt und vielfältig wie der Apothekenmarkt an sich.
Doch im November soll es nach dem Willen der Abda nach einer einheitlichen Choreographie ablaufen: Immer mittwochs sollen in einer von vier großen Regionen Deutschlands die Apotheken geschlossen bleiben und jeweils eine zentrale Kundgebung stattfinden. Noch gibt es keinerlei Details, weder zu den einzelnen Veranstaltungsorten noch zu Uhrzeit oder Programm. Lediglich Protestmaterial inklusive einer Playlist von der letzten Demo in Berlin wurden verschickt.
Bloß keine Hektik
Beim Deutschen Apothekertag (DAT) hatte Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening um Vertrauen geworben – und zwar ausgerechnet direkt vor Lauterbachs Video-Auftritt: Operative Hektik sei ein Ausweis von geistiger Windstille, hatte sie gesagt. Das sei eines akademischen Berufsstands nicht würdig. „Daher handeln wir mit Konzept und nicht adhoc, quasi aus kalter Hose.“
Der Alleingang des Hessischen Apothekerverbands (HAV) wurde konsequent mit Missachtung bestraft: Zum Protesttag am 2. Oktober in Frankfurt mit mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ließen sich jedenfalls keine Standesvertreter aus anderen Kammerbezirken oder gar von der Abda blicken.
Aber gibt es den angeblichen Masterplan überhaupt? Auch in ihrem jüngsten Präsidentinnenbrief an die gesamte Apothekerschaft blieb Overwiening am Montag noch im Ungefähren: Die Abda werde die Kommunikationsmaßnahmen zu der nun angekündigten Apothekenreform „an den Rhythmus des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens anpassen“. Statt eines Kampfaufrufs oder einer Planung lieferte Overwiening nur einen eindringlichen Appell: „Lassen Sie uns diesen Marathon gemeinsam bestreiten. Vertrauen Sie Ihrer Standesvertretung – je nach Stand der politischen Beratungen werden wir rechtzeitig die nächsten Kommunikationsschritte bekanntgeben.“
Auftakt in Hannover – und Schwerin
In der Region Nord sollen die Proteste am 8. November beginnen, so viel ist mittlerweile durchgesickert. Dann sollen die Apotheken in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern geschlossen bleiben. Die zentrale Kundgebung soll in Hannover stattfinden – was allerdings ebenfalls noch nicht offiziell bestätigt wurde.
Stattdessen hat der AVMV seine Mitglieder mittlerweile darüber informiert, dass es parallel eine Demo in Schwerin geben wird – und zwar gemeinsam mit anderen Heilberufen. Denn nicht nur in den Apotheken gebe es Probleme, vielmehr sei die gesamte ambulante Gesundheitsversorgung durch eine verfehlte Gesundheitspolitik in Gefahr. „Deshalb organisieren wir gemeinsam mit den Ärzten und Zahnärzten eine Protestkundgebung in Mecklenburg-Vorpommern. Diese wird ebenfalls am 8. November stattfinden.“
Ab 14 Uhr wollen die Heilberufe in Sichtweite des Schweriner Schlosses lautstark darauf hinweisen, dass man dringend eine andere Gesundheitspolitik brauche. Gemeinsam wolle man ein deutliches Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen könne. „Die Apotheken brauchen dringend eine Honoraranpassung und weniger Bürokratie, um die Patienten weiterhin versorgen zu können. Das wichtigste Ziel ist, die Bürger und besonders die Parlamentarier mit unseren Argumenten zu überzeugen.“
Die Apothekenteams werden aufgefordert, zur Kundgebung nach Schwerin zu kommen – oder eben die Kollegen bei der Kundgebung in Hannover zu unterstützen. „An diesem Protesttag sollen die Apotheken in ganz Norddeutschland bis auf den Notdienst geschlossen bleiben. Damit zeigen wir, wie wichtig und dringend unsere Probleme sind und die Medien werden darüber wesentlich intensiver berichten.“
Lautstark und langanhaltend kämpfen
Die Details und genauen Planungen würden gerade noch erarbeitet; wie zum letzten bundesweiten Protesttag würden auch Plakate und sonstige Materialien erstellt. „Lassen Sie sich bitte nicht entmutigen. Wir sind auf einem langen und schweren Weg. Überall in der Gesellschaft gibt es zurzeit Probleme und Proteste. Wir müssen lautstark und langanhaltend kämpfen, um im politischen Prozess vorwärtszukommen“, schreibt der Vorstand – um die eigene Aktion gleich wieder zu relativieren: „Schnelle und krachende Adhoc-Aktionen fühlen sich zwar manchmal für uns gut an, auf dem Weg zu einem Gesetz, das unsere Situation verbessert, sind möglichst krasse Aktionen allerdings nicht immer zielführend.“
Die geplante Demo in Schwerin ist übrigens nicht die erste gemeinsame Aktion der verschiedenen Heilberufe: Mit Trillerpfeifen und Transparenten haben am Montag Ärzte und Apotheker vor dem Landtag in Erfurt auf Probleme bei der ambulanten medizinischen Versorgung in Thüringen aufmerksam gemacht. Am Donnerstag wollen Abda sowie Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung in Berlin gemeinsam die Presse über Herausforderungen in der Gesundheitspolitik informieren. Vielleicht löst die Handbremse sich ja doch noch.