Der November soll der Protestmonat der Apotheken werden, und damit nichts schiefgeht, hat die Abda eine Leitstelle eingerichtet. Im Kontrollraum können die Entwicklungen in Echtzeit verfolgt und gegebenenfalls nachjustiert werden.
Auch wenn es niemand zugeben würde: Der Protesttag im Juni war kein Erfolg der Abda, sondern ein Erfolg des Engagements an der Basis. Weil sich so eine Sternstunde des berufspolitischen Widerstands aber nicht einfach so reproduzieren lässt, müssen bei der nächsten Eskalationsstufe die Profis ran: Noch bevor überhaupt entschieden war, ob und in welcher Form es Proteste geben würde, wurde schon einmal ein Demoverbot ausgesprochen: Keine Alleingänge, lautete die Devise. Geschlossenheit hinter der Abda! Proteste nur auf Kommando!
Das Konzept, den roten Faden und die kreative Ausgestaltung für den Protestmonat November liefern die Abda und ihre Agentur. Mit der Organisation der vier Veranstaltungen selbst wurden dagegen die jeweiligen Landesverbände betraut. Doch auch wenige Tage vor Beginn der Protestwelle hört man von den Beteiligten noch viel zu wenig. Ein paar uninspirierte Rundschreiben und Pressemeldungen erzeugten so gut wie gar keine Kampflaune. Warum muss man etwa den ostdeutschen Teams erklären, dass die Busse später zurückfahren, damit man noch den Dresdner Striezelmarkt besuchen kann. Echte Proteststimmung stellt sich so sicher nicht ein.
Daher nimmt das Abda-Team die Sache nun wieder in die eigene Hand. In einem Kontrollzentrum analysieren Experten für politische Kommunikation rund um die Uhr die Lage, tragen Fakten zusammen und behalten die Entwicklungen im Blick. An zahlreichen Kontrollbildschirmen sammeln Mitarbeiter der beteiligten Abteilungen und Stabsstellen alle relevanten Informationen, aus denen das oberste Ehrenamt dann die richtigen Schlüsse ziehen kann.
So liefern Überwachungskameras und Satellitenbilder wichtige Echtzeitdaten aus den Innenstädten. Kein Protestplakat im Schaufenster? Passanten, die in der Eingangstür verschwinden? Auf den großen Screen! Tatsächlich. Mit einem strengen Anruf wird die Apotheke „streikbereit“ gemacht.
Bei den Kundgebungen selbst identifizieren KI-Systeme und Algorithmen verdächtige Bewegungen, die nach vorzeitigem Verlassen des Veranstaltungsorts aussehen. Den Profis im Lagezentrum entgeht nichts. Ein Ordner bitte zur Bühne, die Plakate müssen dringend höher gehalten werden!
Dabei gibt es erste Signale, dass die Proteste ein Erfolg werden könnten. So wird bei der Auftaktveranstaltung in Hannover der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi die Mittagspause in der Plenarsitzung nutzen, um zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Region „Nord“ zu sprechen. Je nach Botschaft könnte es der erste SPD-Minister sein, der sich im Konflikt mit dem von seinem Parteifreund Karl Lauterbach geführten Bundesgesundheitsministerium (BMG) öffentlich an die Seite der Apotheken stellt.
Und für die Woche darauf haben sich alleine aus Hessen rund 700 Anreisende angekündigt. Zehn Busse fahren die Teams zur Kundgebung nach Dortmund, wo sie gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gegen Lauterbach protestieren. Hatte der an und für sich schon erfolgreiche (aber eben nicht genehmigte!) Protest am 2. Oktober doch noch etwas Gutes...
In NRW bleiben am 15. November übrigens nicht nur die Apotheken geschlossen, sondern auch Arzt- und Zahnarztpraxen. Das „Aktionsbündnis Patientenversorgung“ plant am Abend außerdem eine interne Protestaktion in Düsseldorf – samt gemeinsamer Resolution.
Die Allianz der Heilberufe ist auch deswegen von Bedeutung, weil Lauterbach gerade gezielt Frieden mit den Ärzten schließen und ihnen Zugeständnisse machen will. Die Ärzteschaft hatte nämlich Anfang der Woche nicht nur einen gemeinsamen Beschwerdebrief unterzeichnet und an Kanzler Olaf Scholz geschickt, sondern waren auch einem Termin im BMG ferngeblieben, bei dem Lauterbachs Vorsorgeprogramm von Herz-Kreislauferkrankungen publikumswirksam vorgestellt werden sollte. Die Abda-Präsidentin hatte Lauterbach ebenfalls die kalte Schulter gezeigt (aber dann doch noch den Geschäftsführer Pharmazie geschickt).
Der Minister hat bald keine Freunde mehr, was auch kein Wunder ist, wenn man bei „Markus Lanz“ das Gesundheitswesen mit einem schrägen Vergleich von Lebenserwartungen durch den Dreck zieht. Und so sucht er Anschluss bei den Berufsgruppen, die er für benachteiligt hält. Die Gesundheitshandwerke etwa oder Pflegekräfte. Dumm nur, wenn sich seine Aussagen über Gehaltsunterschiede mit GKV-Statistiken ebenfalls als vollkommen falsch herausstellen.
In der Umschau ließ Lauterbach schon einmal durchblicken, dass er den Notdienst von Landapotheken besser vergüten will. Dass alleine reiche jedoch nicht, um die finanzielle Kluft zwischen den großen und kleinen Apotheken zu schließen. Welche „Hebel“ er noch nutzen will, verriet er im Interview nicht. „Wir arbeiten an einem Gesetzesentwurf.“ In diesem Sinne: Streik ist alternativlos. Ab Mittwoch gilt’s. Auch ohne Support aus dem Kontrollzentrum. Schönes Wochenende.
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