Anonyme Mail

„Protest-Polizei“ fotografiert Streikbrecher

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Berlin -

Der Frust in den Apotheken ist groß, die Protestbereitschaft ist es daher auch. Aber wie motiviert man Kolleginnen und Kollegen zum Streik, die noch ängstlich oder unentschlossen sind? In Mainz sorgt eine ungewöhnliche Initiative für Aufregung: Ein anonymer Aktivist hat am Protesttag am Mittwoch die Apotheken abgefahren – und Fotos derjenigen Betriebe verschickt, die geöffnet waren.

Obwohl die Apotheken in diesem Jahr schon zum zweiten Mal geschlossen bleiben, ist der Zusammenhalt in der Kollegenschaft groß. Kein Wunder, kommen zu den wirtschaftlichen Problemen doch jetzt auch noch die Liberalisierungspläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hinzu. Nicht zuletzt mit seinen despektierlichen Einlassungen hat er für massiven Unmut nicht nur bei den Inhaberinnen und Inhabern, sondern auch bei den Angestellten gesorgt.

Vielerorts sind am Protesttag in den Regionen tatsächlich nur die Notdienstapotheken geöffnet, die Verbände berichten von einer Teilnahmequote von 90 Prozent. Und diejenigen Teams, die es nicht zu den zentralen Kundgebungen schaffen, lassen sich eigene Aktionen einfallen und informieren die Kundinnen und Kunden oft vor Ort über die Probleme.

Dass tatsächlich einige Apotheken geöffnet bleiben, wie etwa mehrere zentrale Standorte in Hannover, wird allenfalls kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Aus der Fassung bringen lassen sich die Teams dadurch aber nicht. Gab es im Frühjahr noch Befürchtungen, dass Streikbrecher die Proteste ruinieren könnten, hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Einsatz dringend notwendig ist und dass es nicht um diejenigen geht, die sich nicht beteiligen wollen oder können.

Spontane Überprüfung

In Mainz hat am Mittwoch trotzdem jemand genau hingeschaut. „Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine spontane Überprüfung der Streikteilnahme von 24 zentral gelegenen Apotheken am heutigen Vormittag ergab folgendes Bild“, schrieb am späten Abend ein anonymer Absender an die Apotheken im Umkreis: „Insgesamt hatten 9 von 24 Apotheken geöffnet. Ein erbärmliches Bild. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Ergebnis nicht repräsentativ war. Allen Kollegen, die den Streik heute unterstützt haben mein aufrichtiger Dank. Allen Kollegen, bei denen Egoismus und Gier überwogen: Schämen Sie sich!“

Die Mail, die namentlich nicht unterzeichnet ist und von einem anonymen Account verschickt wurde, enthält eine Liste mit allen kontrollierten Apotheken: Standorte, die geschlossen hatten, sind grün markiert. Wer geöffnet hatte, ist rot gekennzeichnet. Und zusätzlich sind neun Beweisfotos jener Apotheken angehängt, die sich dem Protest nicht angeschlossen, sondern die Türen offen gelassen und die Kundschaft bedient haben.

Selbst bei Kollegen, die sich am Protest beteiligt haben, kommt die Aktion nicht gut an. „Für mich war diese Mail mehr als befremdlich“, sagt ein Inhaber. „Vielleicht verdeutlicht sie eines der Probleme in der Apothekerschaft, nämlich den fehlenden Zusammenhalt.“ Vielleicht hätten die Kolleginnen und Kollegen ganz einfach vertragliche Pflichten einzuhalten. Statt sie an den Pranger zu stellen, sollte man ihnen mit Verständnis und Wohlwollen entgegentreten. „Geschlossenheit erzeugt man nicht mit erhobenem Zeigefinger.“

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